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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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sollte. Sein Kumpel Foreman wollte ihn mit dem Jeep bringen auf einer geheimen Spritztour. Dank Lydia Kosslowski und dem Alteisenhandel ihres Vaters war mein Jim heil geblieben, aber nun war Jim bei Lydia verschuldet und hatte auf dem Gelände zwischen dem Jammertal und Pfeifensterz den ganzen Morgen Auspuffteile und Heizungsrohre geschleppt, und Lydia hatte ihm Kaffee gekocht, und am Nachmittag sollte er bei uns erscheinen und aussehen wie ein netter Junge, dem man seine Tochter anvertrauen kann.
    Aber mein Jim kam schon mal gleich eine halbe Stunde zu spät.
    – Der Ami, sagte mein Vater, ist ja nicht so verrückt wie der Deutsche, dass er zum Würstchengrillen strammsteht und eine Viertelstunde zu früh da ist, das sehen wir ganz locker! Wir haben doch Zeit!!
    – Du kannst ja der Oma mal ein Würstchen hochbringen, sagte meine Mutter, du kannst es ihr ja kleinschneiden, nimm Senf mit.
    Es roch über ganz Scholmerbach nach Würstchen und Bier, und die Rasenmäher dröhnten, und aus den offenen Autos hörte man abwechselnd die SWR 3-Spitzenreiter mit Frank Laufenberg oder Blasmusik. Ich brachte das angebrannte Würstchen hinauf zu Oma, von da aus konnte ich auch sehen, ob sich ein Jeep näherte.
    Ich ging hinauf und fand meine Großmutter Apollonia ein wenig aufgedeckt, aber sie trug trotzdem das rosa Bettjäckchen, als würde sie frieren.
    – Oma, der es immer noch nicht da!
    – Wott?!
    – Der Jim!! Mein Kerl! Den sie zum Grillen verdonnert haben! Jetzt kommt er nicht!!
    – Ach, sagte sie. Junge Kerle … der kommt schon.
    – Hier ist Wurscht.
    – Will ich nicht.
    – Mit Senf.
    – Kein Hunger.
    – Dann werfe ich sie weg.
    – Mir egal.
    – Man wirft aber kein Essen weg, hast dou gesagt.
    – Ach, jo, man kann es doch nicht reinwürgen, dann gib sie deinen Brüdern.
    – Da liegt noch so viel Wurscht aufm Grill.
    – Wenn dein Kerl kommt, frisst er sie alle auf.
    – Hoffentlich kommt er!
    – Wenn nicht, such dir einen anderen.
    – Oma! Wie kannst dou so was sagen!!
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Meine herzlose Familie. Wie konnten sie nur so über meine große Liebe reden. Habe ja auch schon Schönere gesehen. Kirmeskerl. Kannst dir einen anderen suchen. Womit hatte ich das verdient? Sie wussten nicht, was Liebe ist.
    – Der Berthold kommt gleich.
    – Was für ein Berthold? Der heißt Jim!! Jim kommt gleich!!
    – Ach, der.
    – Ich schneide die Wurst jetzt klein, vielleicht willst du ja doch was.
    – Ach. Ja … eysch weiß nicht. Kann der Berthold essen. Der kommt gleich.
    – Berthold, Berthold, von wem schwetzt du?
    Ich kannte keinen Berthold. Es gab Onkel Balduin und Onkel Dagobert und Onkel Konrad und im Dorf noch den alten Theo oder den Sumpfgrafen oder sonst welche alten Knaben, aber keinen Berthold.
    – Weiß eysch nicht.
    Auf einmal dämmerte es mir.
    – Sag mal, war der Dr. Samstag heute morgen da?
    – War der Dr. Samstag heute morgen … der war … war der do?
    – Oma, fragte ich. Oma, ICH habe gefragt, ob der Dr. Samstag da war!
    – Ob der Dr. Samstag da war … war der, habe eysch gefragt, sagte Oma.
    Ich war mir nicht sicher, ob Oma ganz richtig war. Warum sie mir dauernd nachsprach und meine Worte umdrehte, als hätten sie ihren Sinn verloren. Sie hielt sie ja vor sich wie eine Girlande, die sich ineinander wand.
    – Ich will mal nach Jim gucken, sagte ich. Mal sehen, ob er schon draußen ist.
    – Ob der schon draußen ist, will eysch mal sehen, ist denn der schon draußen, eysch muss doch mal sehen, wo ist der denn, ist der draußen!!
    Ich stand auf und ging. Als ich in den Hof kam, kam der Jeep den Weg hinaufgefahren und rollte mir entgegen, und die ganze Nachbarschaft staunte nicht schlecht, als Jim herausgesprungen kam.
    – Oh my love!, rief er und küsste mich auf die Stirn.
    Am Arm hatte er noch schwarze Wagenschmiere und seine Hose war nicht ganz sauber, aber wenigstens war er jetzt da.
    – Hallo!, sagte ich. Wie schön, dass du da bist!! Wie war es heute Morgen?
    – Great!, rief er. I like that job! Liddi’s father is funny! Jetz ick muss nur nock dreimal kommen, dann ick habe nock mehr Geld.
    – Du willst da noch dreimal hin??
    Jim sah mich verdutzt an, als könnte er sich gar nicht vorstellen, dass es mir nicht gefiel: er mit »Liddi« und ihrem Vater auf dem Schrottplatz. Meine Hoffnungen für den Nachmittag schwanden, er hatte sich für Lydias Familie verausgabt und kam für die meine schmutzig und zu spät. Aber da bog schon mein Vater

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