Apollonia
einziges Lüftchen wehen, das ein paar Regentropfen herbeitreiben mochte.
Im schummerigen Abendschein beim Kerzenrauch stellte ich die alles entscheidende Frage:
– Jim … – Do you want to meet my mother and my father and my brother and my grandma?
– Ouh yeah! Why not?, sagte Jim und lachte. Wann ick sehe dein Mama, dann ick sehe, wie du sehst aus in swanssig Jahre.
– Dreißig. Also, ich werde eher dicker als dünner.
Wir saßen in der Ellinger Disco mit den schwarzgoldenen Grotten aus Stanniolpapier und hörten »Living next door to Alice« von Smokie. Jim war wohl nicht klar, was meine Eltern im Schilde führten und dass sie glaubten, er hätte niedere Absichten, vor denen sie mich bewahren mussten, damit ich kein abgelecktes Butterstück würde, und dass dies der einzige Sinn und Zweck der Übung war.
– I want to maken eine gute Eindruck … und ick bin eine good boy.
– Yes, sagte ich. You will be a good boy.
Aber dann kam das Lied von Foreigner, und wir tanzten, und die Foreigner sangen:
– I want to kiss you all over and over again.
Da sang Jim immer mit und sang: Kiss you all over and over and over again, und da wurde mir ganz schwindelig, und ich spürte, was damit gemeint war, und in den Ellinger Stanniolgrotten konnte man kaum etwas sehen, und daher glaubten wir auch, dass man uns nicht so sieht, wenn wir herumknutschten, bis uns die Sinne schwanden. Wovor wollten meine Eltern mich warnen? Es schien mir sowieso nicht in ihrem Ermessen zu liegen, es war meine eigene Entscheidung und mein eigenes Gefühl, wann es so weit war, und meine innere Uhr, mein innerer Glockenschlag sagte etwas von Junimond und dann August, es war etwas dazwischen, heute nicht oder beinahe nicht oder noch nicht, aber beinahe doch, aber nicht nebenbei, nicht einfach so.
– I can wait … sagte Jim. I have time.
– Wie lange?
– What?
– Wie lange kannst du warten?
– Well … I would never … weißt du, ich kann dir … nickt wehtun … Sweety …
Aber es konnte sein, dass er mir trotzdem wehtun würde. Egal, ob es geschah oder nicht, ob er vorher ging oder blieb, sich nach einer anderen umschaute oder mich von zu Hause fortriss, auf die eine oder andere Weise würde er mir wehtun. Für alle Fälle hatte ich mir in der Apotheke mithilfe von Bea und Stefanie unter unsterblicher Peinlichkeit die Schachtel Patentex geholt, heimlich, und das Geld aus Omas Kaffeebüchse dafür ausgegeben. Man wusste ja nie.
Als wir einen Augenblick innehielten und auf den Stühlen nach Luft schnappten, tastete ich nach meiner Handtasche und flüsterte:
– I have a secret – pscht – es ist geheim!!
Und unter dem Tisch zeigte ich ihm heimlich die Schachtel und er sagte:
– Oh my god … Marree – what did you do?? Das häs du gekauft??
– Nun ja … für alle Fälle … nicht für gleich … aber …
– You think …??
Jim sah auf einmal ganz nervös aus und packte sich ins Genick und schien abzuwägen. Er nahm mir die Schachtel aus der Hand, als auf einmal Rick hinter uns auftauchte und sagte:
– Jim – I told you something, man! I’m waiting!!
Ich riss ihm blitzschnell die Schachtel weg und ließ sie in der Tasche verschwinden.
– Hast du ihm immer noch nicht die fünfzig Dollar gegeben?, fragte ich.
– Oh shit!, sagte Jim. Sorry man!! Next friday, I swear! Just have to do Foreman a favour … but – hey man!! What’s up?? I told you, I’m in trouble, I give you that shit, as soon as I can!!
– You’re always in trouble!! I tell you something, I give you one more day! ONE day!! Otherwise you’re in REAL trouble!
Damit verschwand er und hinterließ eine richtige Rauchwolke von Ärger und Drohungen. Ich fragte Jim, wie viel denn fünfzig Dollar seien, richtig viel Geld?
– Well, sagte er. We get zweihundertfünfzig Dollar in a Monat. Dänn ick muss dem geben in July. Damned.
Jetzt war er wirklich nervös, denn Rick sah nicht aus, als ob er noch bis Juli warten wollte, und dass amerikanische Soldaten sich öfter mal prügelten, das war nichts Neues. Ich wollte aber nicht, dass mein Jim verprügelt wurde, denn dann sah er auf der Grillparty am Samstag ganz zerbeult aus und machte nicht den Eindruck, den ich mir wünschte, und außerdem hatte ich Angst, dass ihm was passiert. Mein schöner Jim, wer weiß, wie Rick ihn zurichten würde! Also, wir brauchten dringend fünfzig Dollar!
– Wie viel Mark sind das denn??
– Maybe hundert Mark.
Ach du Schreck. Hundert Mark. Ein
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