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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Jim« und auf der Rückseite »Love – forever«. Ich würde ihm folgen um die ganze Welt, das stand schon mal fest. Allerdings würde ich dafür Scholmerbach verlassen müssen, und da musste ich schlucken.
    Scholmerbach verlassen? Das ging ja gar nicht.
    Das war geradeso, als müsste ich mir das Herz herausreißen.
    Wenn man in Scholmerbach geboren war, dann musste man in Scholmerbach bleiben, auch wenn man ging, ich war noch nicht einig, wie sollte das gehen, ich beschloss, nicht weiter zu denken, als der Sommer lang war, ja, ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass es irgendetwas anderes gab, als diesen einen Sommer in meinem siebzehnten Lebensjahr.
    Jimmy war auf jeden Fall wichtiger als das, was meine Mutter sagte und was womöglich mein Vater sagen würde, wenn er heimkam, und erst recht, was meine Brüder sagten. Ich hörte sowieso bloß auf meine Großmutter Apollonia, und die war nicht mehr ganz bei sich. Vielleicht konnte ich mich trotzdem mit ihr verbünden. Wenn ich ihr erzählte, dass mein Kirmeskerl ein richtiger Freier war, einer von weit weg, noch hinter Langdehrenbach, noch hinter dem großen Teich, wo mein Großvater damals in Gefangenschaft war. Der war doch … in Amerika war der doch. Kein Ort war unmöglich, wenn ein Scholmerbacher schon mal dort gewesen war.
    Meine Großmutter aber lag den ganzen Tag da und schnarchte, und ich konnte ihr gar nichts sagen, und noch bevor mein Vater nach Hause kam, hatten meine Brüder mir schon erzählt, dass er vorhatte, mich vor Jim zu warnen. Das war ja schließlich seine Vaterpflicht. Ich war für heute schon genug gewarnt worden und wollte keine schrecklichen Verdächtigungen und Voraussagen mehr hören.
    Also traf ich mich mit Bea und Brigitt und Stefanie am Bushäuschen und schilderte ihnen die Verschärfung der Lage. Von nun an drohte meine Familie alles zu verderben durch ihre unqualifizierten Bemerkungen. Wie konnte ich meine Eltern und Geschwister dazu erziehen, mich in meinem Liebesleben nicht weiter zu belästigen?
    Brigitt schlug vor, ich solle behaupten, wir hätten schon wieder Schluss gemacht, und Bea meinte, sie würden sich vielleicht an ihn gewöhnen, und Stefanie sagte, nach dem Krieg hatten alle einen Soldaten.
    Da kam mein Vater in unserem gelben Ford Taunus an der Bushaltestelle vorbei und hielt an und meinte, wir sollten hier nicht so rumlungern wie die Gammler, und überhaupt sei ich in letzter Zeit kaum noch daheim, und er müsse mal mit mir reden, und ich solle jetzt einsteigen. Das Schicksal war wirklich gnadenlos mit mir. Es war fünf Uhr, und ich wollte abends noch meinen Jim sehen und hoffentlich machte mein Vater mir keinen Strich durch die Rechnung.
    – Ich weiß schon, sagte ich bockig auf dem Beifahrersitz, – Hennegickels Marlene … und wenn ich ein Flittchen werde, dann muss ich nach Frankfurt, wo alle Flittchen wohnen, und wenn ich erstmal ein abgelecktes Butterstück bin, dann will mich keiner mehr, und ich muss aufpassen und darf kein Wort glauben, was die Kerle mir erzählen …
    – Nein, aber nein, Marie, sagte mein Vater. Ganz im Gegenteil. Ich habe gehört, du hast da einen netten jungen Mann aus Amerika, der dir gefällt. Aber ich möchte nicht, dass du heimlich mit ihm herumziehst, und wir wollen ihn doch gerne mal kennenlernen. Es wäre schön, du bringst ihn am nächsten Samstag mal mit, wenn wir im Garten grillen. Was hältst du davon?
    In Wahrheit hielt ich gar nichts davon und hätte ihn am liebsten nur mal an Omas Krankenbett gezerrt, denn ich wollte ein Geheimnis haben, und nun durfte ich es nicht behalten. Ob Jim überhaupt kommen wollte? Keine Ahnung. Mir war sehr unwohl. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als dass sie meinen Jim mal ordentlich prüfen und austesten wollten, um ihn mir hinterher auszureden und zu sagen, sie hätten aber auch schon Schönere gesehen. Von meinen Brüdern erwartete ich nichts anderes, als dass sie mich blamierten und ihm verrieten, dass ich heimlich Schönheitsmasken auflegte, oder ihm erzählten, was ich ins Tagebuch geschrieben hatte. Ich wünschte mir, dass es am Samstag in Strömen regnete und die Wurst und die Grillkohle und die Klamotten klatschnass würden, ja, ich wünschte mir einen Wolkenbruch herbei.
    Aber leider war kein Wölkchen am Firmament zu sehen, und die Sonne schien auf den Fingerhut und die Schafgarben und die Holundersträucher, die Lupinen blühten am Wegesrand und die Margeriten wiegten sich im Wind. Es würde wohl kaum ein

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