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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Wahl vertan hatte. Aber was hätte das genützt? Sie wäre nicht ins schöne Frankreich gekommen und hätte dafür aber einen besseren Mann bekommen. Aber der fiel dann wiederum an der Marne oder an der Maas, und sie wäre Witwe wie all die anderen, die herumsaßen und heulten und ihre Kinder nicht satt kriegten. Es war ja ganz gleich, wie es kam.
    Meine Mutter Marianne hatte einen gesunden Appetit, aber meine Urgroßmutter Kathrein, die nun schon seit sieben Jahren im Bett lag, aß kaum mehr als zwei Kartoffeln und ein paar Bohnen, und sie wurde weniger und weniger und glich mit den Jahren ihrer verschlissenen Bettwäsche. Nur Tante Klarissa konnte ein wenig helfen. Die kam und bekümmerte sich und wusch ihre Schüsseln und kämmte ihr das Haar und ging in den Garten und riss das Unkraut aus und klaubte die Erbsenschoten von den Stängeln.
    Dann ging es wieder für einen, zwei oder drei Tage. Danach wurde meine Großmutter Apollonia wieder ungnädig und verdrießlich, und schließlich half nur, dass sie meinem Großvater, wenn er betrunken war, mal wieder ordentlich das Fell versohlte. Sie wollte mit seinem Geld im Honiels Kramladen Seife kaufen oder Waschmittel oder Ersatzkaffee, eine Haarspange für Marianne oder beim Wichsgritt ein paar Strumpfhalter, überhaupt nur das Nötigste. Aber da konnte sie lange warten. Mein Großvater Klemens hingegen glaubte allmählich, dass er daheim ein böses Weib hatte. Sein Kind, das war das Paradiesengelchen, aber seine Frau vertrug keinen Spaß und kommandierte und verkloppte ihn auch noch, bloß weil er mal einen über den Durst trank. Als er ganz betrunken war, sagte er zu ihr:
    – Erst kemmt mein Mariannchen, dann kemmt meine Kuh, das Lorchen, dann kemmt mein Schwein, die Berta, dann kemmt noch lange niemand, und dann kemmst erst dou.
    Da verkloppte sie ihn gleich noch mal.
    Von da an machte Klemens sich überall lustig über Apollonia.
    – Eysch hun ein böses Weib!
    Da lachten sie alle.
    – Sie ranzt mir das Fell!
    Da lachten sie noch mehr.
    – Sey mol hey … ein blauer Fläcken!!
    Und er zeigte ihnen zum Beweis einen Fleck auf der Schulter, da konnten sie sich vor Lachen nicht halten. Da beschlossen seine Saufkumpane, heute noch erheblich einen über den Durst zu trinken und sich zu verstecken und zuzusehen, wie Apollonia meinen Großvater beim Heimkommen verdreschen würde.
    Das Haus hatte einen Vorbau mit einem Flur vor der Haustür, und wenn die Kumpel meines Großvaters etwas sehen wollten, dann mussten sie sich die Hälse verrenken und sich hinter dem Lattenzaun von Kleppels verstecken.
    Aber an dem Abend tat Apollonia ihnen den Gefallen nicht. Sie hatte sich stumm zu dem Vieh im Stall gesetzt und war bei der Kuh geblieben, die Leibschmerzen hatte vom sauren Gras der Sumpfwiese. Die Ruhrpottwitwen aber, die haben oben im ersten Stock das Gekicher und das besoffene Geschwätz gehört.
    Da haben sie die Fenster aufgerissen und heruntergeschrien:
    – Macht, datt ihr wechkommt – ihr Drecksgesindel!! Watt habt Ihr da verlor’n!! Ich komm euch da runter!! Wir hol’n dem Schandarm, da könnt ihr wat erlehm!! Da kricht ihr den Marsch geblasen! Schert euch wech, ihr Gesocks un Lumpenpack!!!
    Und dann kippten sie einen Eimer voll Putzwasser aus dem Fenster.
    Die Burschen aber trollten sich aus dem Gestrüpp, sie waren klatschnass, und das Schauspiel war anders ausgefallen, als sie es sich erwartet hatten. Da kamen sie so bald nicht wieder, und Apollonia hatte für eine Weile ihre Ruhe, und manche im Dorf sagten auch, egal ob und wie sehr sie ihn verdroschen hatte, der Klemens hatte sie auf jeden Fall verdient.
    Meine Großtante Hanna war lange nicht mehr nach Scholmerbach gekommen. Sie hatte zwei prächtige Söhne zu versorgen und eine Tochter, so schön wie das Rosenresli, und noch einen Sohn aus der ersten Ehe ihres Mannes. Sie wohnten auf einem großen Anwesen in Langdehrenbach, und der schöne Elbbach, der floss am Tal vorbei, wo die wilden Weiber wohnen, und dann floss er an Dorndorf vorbei, wo sich einstmals die Hildegardis vom Felsen stürzte, weil der rothaarige Ritter Ruprecht von Ellar ihre Liebe verraten und zusammen mit dem Grafen von Wällershofen ihre Stadt geplündert hatte. Hinter Langdehrenbach war nämlich alles möglich, da begann die Welt, da war man beinahe schon in Limburg, da fing schon immer der Frühling an, wenn bei uns noch Winter war, und Tante Hanna hatte Kaffee, als es bei uns noch Gersten- und Haferkörner gab.
    Aber meine Großtante

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