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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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hatte Maläste. Sie klagte über Unwohlsein, Schwindel und unerklärliche Ermattungszustände. Angesichts dieser Schwäche sah sie sich immer wieder ohnmächtig ausgeliefert den Bergen von Wäsche, die sie im Kessel kochen und durch die Mangel wringen und auf die Wiese zum Bleichen legen sollte. So viele Körbe, so viel Arbeit allgemein, und dann sollte sie noch in den Kuhstall gehen, jeden Tag, das war ihr zuwider, das war unter ihrer Würde, und es befiel sie diese unerbittliche Entkräftung. Sie musste sich hinlegen, immerzu, und war ganz seltsam bleich, es war wohl der Kreislauf, wieso war sie auch so groß, manchmal war ihr ganz schwarz vor Augen, und schließlich sagte sie es allen, ausdrücklich, ganz vornehm und in hochdeutsch:
    Ich bin »überarbeitet«!
    Aber da gab es zum Glück eine neue Heilmethode in Wällershofen und die nannte sich: Bestrahlung.
    Die Bestrahlung war für Tante Hanna ein großer Segen. Sie kam aus einer großen halbrunden Kugel und hatte innen drin eine Quecksilberdampflampe und wirkte heilend auf rachitische und entkräftete Menschen, die vom Krieg oder der Blutschwäche ausgezehrt waren. Von dieser Lampe konnte Tante Hanna nicht genug bekommen und fuhr täglich mit dem Zug nach Wällershofen zur Bestrahlung und ließ die Wäsche Wäsche sein und überließ sie der Tochter Resli mit ihren neun Jahren und den dünnen Armen. Sie sollte sich halt anstrengen, früh übt sich, schön sittsam und fleißig, dann hat man dich lieb, ohne Fleiß kein Preis, ein Kind muss seiner Mutter helfen, tüchtig, tüchtig, das würde sie schon schaffen!
    Wer aber so eine Anstrengung hatte, durch das Leben zu kommen mit vier Kindern, und immer zur Bestrahlung musste und ein Geschäftsleben in Langdehrenbach hatte, der konnte nicht noch nach Scholmerbach laufen.
    Nur an Ostern kamen Hanna und Klara und Apollonia zusammen, das war der einzige Tag während der Kriegsjahre, wo sie immer die Mutter besuchten, und dann saß man beieinander, und es gab Krümelkuchen und sie erzählten, was geschehen war in Wennerode und in Langdehrenbach.
    Hanna meinte, es werde eine böses Ende mit uns allen nehmen, und aus Langdehrenbach seien jetzt alle Männer an der Ostfront, und Tante Klarissa war unglücklich, weil ihr Mann schon vor dem Krieg verstorben war, und sie durfte nicht murren und nicht klagen und nicht aufbegehren gegen die Wege des Herrn. Aber Klarissa hatte wohl auch eine gewisse Demut des Herzens von Natur aus und nahm ihr Schicksal hin, während Tante Hanna zeterte und schimpfte in der kleinen Küche vom Scholmerbacher Lehmhaus.
    Sie beschwerte sich über die unzumutbare Drangsal des Lebens, bis meine Großmutter Apollonia meinte, sie könne doch von Glück sagen, denn sie habe den reichsten Mann bekommen und das größte Haus und wohne im schönen Elbbachtal und sogar noch in Langdehrenbach!
    Das aber wollte Hanna nicht einsehen und meinte, dass sie mit der gesundheitlichen Schwäche geschlagen sei und die langen Söhne und die Berge von Wäsche, und sie musste arbeiten wie keine von ihnen, keine, und sie wurde krumm und lahm dabei, ja, lahm, und dann sagte sie auf hochdeutsch:
    – Ich bin überarbeitet.
    Apollonia fing lauthals an zu lachen und meinte, dass Hanna überarbeitet sei, das sehe man ihr aber nicht an, und Tante Klarissa meinte, das sei sicherlich der neumodischen Quecksilberdampflampe zu verdanken, man könne auch Höhensonne dazu sagen, und als mein Großvater Klemens hereinkam, um sich ein Stück Streuselkuchen zu holen, meinte Tante Hanna:
    – Also, der ist mal nicht überarbeitet!, und damit ging das Theater los am heiligen Ostertag.
    Mein Großvater meinte, sie solle die Nase nicht so hoch tragen und mal lieber in Langdehrenbach so gnädig sein, im Kuhstall eine Mistgabel in die Hand zu nehmen. Es wisse ja jeder, da sie sich zu vornehm sei, um in den Kuhstall zu gehen. Dabei musste sie, Hanna, früher jeden Tag den Kühen die Schwänze waschen, stimmt’s oder stimmt’s nicht? Bevor der Dapprechter Gustav mit den Kühen durchs Dorf ist wie die heilige Prozession, musste Hanna der Kuh den Mist vom Schwanz und vom Hinterteil waschen, bis es das schönste Hinterteil von ganz Scholmerbach war, stimmt’s oder stimmt das nicht? Die drei schönsten Töchter von Scholmerbach haben jeden Tag jeder Kuh den Bobbes sauber gewaschen!! Ha!
    – Ja, das stimmt, sagte Tante Klarissa einfältig lächelnd.
    – Siehst dou?, meinte Klemens. Schiss is Trumpf.
    – Aber der Vater hatte das Haus und die

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