Apollonia
Felder in Ordnung!!, schrie Tante Hanna. Und dou lässt es verkommen! Seyh mal, wie die Scheune aussieht!! Oben die Tenne es durchgebrochen, und die Leiter ist nicht mehr fest! Und draußen der Misthaufen, den jeder seyt!! Ein stinkender Platsch vor dem Haus, und die Brühe läuft überall hin!!
Tante Klarissa neigte sich begütigend vor.
– Im Augenblick sieht ja kein Misthaufen so akkurat aus … wenn dey Männer im Krieg sind … da bleibt die Stallarbeit liegen … da macht ein jeder nur so, wie er durchkommt … schmeißt einfach obendrauf …
– Der Klemens es doch gar nicht im Krieg!!, schrie Hanna. Der ist doch daheim! Unser Apollonia kann alles allein machen!!
– Aber dou hilfst mir ja aach nicht bei unserer Mutter, sagte Apollonia. Et ist immer unsere Klarissa, das von Wennerode zu Fuß kommt und mal im Garten schafft und dey Mamme versorgt und dann in der Nacht durch die Wälder läuft, das ist ja auch gefährlich …
– Ich bin überarbeitet, sagte Hanna.
Aus der offenen Schlafstube rief die schwache Kathrein:
– Bleibt euch einig! Et ist der Ostertag! Macht sinnig!!
– Dey wollen hier das Weiberregiment einführen, resümierte mein Großvater. Da habe ich naut mit zu schaffen. Wäre ja noch schöner. Dass man sich von Weibern was sagen lässt.
– Dou könntest aber mal denen da oben sagen, dass wir mehr Platz brauchen, schimpfte Apollonia. – Dey sollen sich was anneres souchen.
Klarissa nahm meinen Großvater sanft am Arm und sagte:
– Weißt dou, Klemens, dou meinst es sicher gut und weißt, wie es für alle richtig ist. Wir wollten deysch nur bitten, weil es ja für euch doch so eng ist und die kleine Marianne immer noch in eurem Ehegemach liegt, ob dou nicht die Witwen über euch in ein anderes Haus bitten könntest, dou wirst sicherlich etwas für sey finden.
Da war Klemens machtlos. Gegen Klarissa und sein Paradiesengelchen konnte er nichts ausrichten. Er grummelte noch ein wenig vor sich hin, aber in seinem Inneren wusste er: Es war Zeit für ein klares Wort.
Nach der Osterwoche sollten die Ruhrpottwitwen endgültig das Fachwerkhaus verlassen und Apollonia, Klemens, Marianne und der Mutter Kathrein wieder erlösende Freiheit und Raum in ihrem eigenen Haus verschaffen.
Es war im Mai 1941, als Heinrich das erste Mal Heimaturlaub hatte, und er kam zurück in einer pechschwarzen Uniform und mit Schulterstücken und einem verzierten Koppelschloss mit Eichenlaub, alles saß wie angegossen. Auf seiner Mütze blitzten der Reichsadler und das Hakenkreuz, und auf seinem rechten Kragen war eingestickt ein weißer Totenkopf auf schwarzem Grund.
So hatte Heinrich noch keiner gesehen, und man bekam eine Ehrfurcht vor ihm, so ein Auftreten hatte er, so ein Kerl war er geworden, aufrecht und groß, und einen Schritt hatte er, da wagte keiner mehr zu sagen, was ihm nicht passte. Das Wiedersehen wurde groß gefeiert, und es musste natürlich ein Wildbraten sein in der Waldeslust. Heinrich war längst keine Sturmmann mehr in dem großen Arbeitslager in Bayern, nein, er war Oberscharführer unter Eicke, und er wusste, was von einem verlangt wurde, er hatte die Worte von Himmler selber gehört, der hatte sie besucht. Er war weit gekommen, unser Heinrich.
– Naja, da kreyn die mal Zucht und Ordnung beigebracht in so einem Arbeitslager!, rief Schustermichels Albert in der Wirtschaft und wollte Heinrich zuprosten.
– Da muss mol aufgeräumt werden mit dem arbeitsscheuen Pack!
Heinrich nickte bedeutsam und prostete zurück und zischte mal so ein richtiges Bier aus der Hachenburger Brauerei und sagte, mein Gott, das schmeckt doch viel besser als in Bayern. Die können da kein Bier machen, ein Westerwälder Bier, das ist doch das einzig Wahre, also, da kriegt man ja schon mit dem Heimweh zu tun, Bier und Brot, Brot und Bier, das schmeckt nirgendwo so wie bei uns.
– Ja, was machen dey denn da in dem Lager, fragte Albert und kam näher. Müssen dey da ordentlich Steine schleppen und … Tüten kleben oder … Briketts schaufeln? Wen habt ihr dann da? Zigeuner? Vagabunden und so?
Heinrich aber war danach, mal wieder mit seinen alten Freunden eine Runde Karten zu spielen, und er wollte auch eigentlich kein Wild oder Wein, sondern Speck und Eier und gebratene Blutwurst, und womöglich wollte er auch statt der Uniform mal wieder die alte Strickjacke anziehen und im Stall helfen. Aber da hatten sie ihn schon am Schlafittchen, und Feldmeister Schröder und Obertruppführer Mörser und
Weitere Kostenlose Bücher