Apollonia
Hauptmann Tomaczek luden ihn ein, und sie wollten mit ihm das Neueste von der Front besprechen und hören, was Himmler erzählt hatte.
– Aus Wennerode haben sey die warmen Brüder abgeholt, waren solche auch in Bayern in euerm Lager?, fragte Schustermichels Albert und näherte sich dem Separee.
– Frag nicht so dumm!!, rief Heinrich aufgebracht. Ins Lager kommt jeder, der die Volksgesundheit schädigt! Und wer dumme Fragen stellt! Oder nicht pariert!!
Da lachten alle, und spätestens da tauchten auch Malwine und Kunigunde auf und begrüßten den Heimkehrer Heinrich, der sich so verdient gemacht hatte um das Vaterland und so todschick und ehrfurchtgebietend und fast ein wenig unheimlich aussah in seiner schwarzen Uniform. Albert fragte noch:
– Aber den Pfarrer von Hellersberg, hat den denn kaaner gesehen? Den Pfarrer Klarsfeld?
Das wollten sie im Separee nicht hören. Wer sich ordentlich benahm, nicht wie das Ungeziefer und die Volksfeinde und Verräter und die ungehörigen Pfaffen, die das Maul aufrissen, dem geschah nichts. Man war schließlich großzügig und gut gegen die Menschen und auch gegen die Tiere.
– Kurt!!, schrie Obertruppführer Mörser. Hol deinen Papagei!! Ich will wissen, ob er es endlich begriffen hat! Vielleicht müssen wir ihm Schampus geben, damit er besser quatschen kann! Los, Kurt! Hol den Vogel! Er soll ein Schlückchen mit uns trinken!!!
Aber Kurt schien auf dem Ohr taub zu sein, er stellte sich wohl extra blöd, so blöd wie sein Vogel, der sich seit geraumer Zeit weigerte, der Partei Folge zu leisten und ein »Heil Hitler« von sich zu geben.
– Ach naja, dann lass ihn doch, sagte Feldmeister Schröder. Es ist ja nur ein Tier.
– Aber der Kurt hat ihm doch auch Worte beigebracht: Er sagt: Merci, er sagt: Casanova, er sagt: Pardon, er sagt: Bonjour, er sagt lauter französische Wörter, aber kein einziges deutsches, wie kommt mir das denn vor??
– Ach ja, sagte Kunigunde. Bei uns im Wald der Vogel sagt immer nur Kuckuck, da kann man gar nichts machen.
– Sie sind selber ein ganz reizendes Vögelein, sagte Hauptmann Tomaczeck.
– Wer – ich?, kreischte Kunigunde. Ach wirklich?
– Darf ich Sie zum Tanz auffordern?, fragte der Hauptmann und da kicherte Kunigunde. Kurt Siebers hatte nämlich einen Volksempfänger und da konnte man am Knopf drehen, bis Musik lief. Vielleicht Marika Rökk, und sie sang »Musik Musik Musik«. Oder Rudi Schuricke, »Ein Stern von Rio«.
Der Volksempfänger stand auf dem Eckregal mit der geklöppelten Spitze, und wenn man an dem Kopf drehte, dann rauschte es erst vom Großdeutschen Sender, aber dann sang ganz herrlich Heinz Rühmann »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern«. Da mussten alle mal drauf tanzen, und vom Mirabellenschnaps war ihnen schwindelig, und der Papagei hatte Glück gehabt, aber Heinrich wollte nicht tanzen. Er war kein Tänzer vor dem Herrn, ihm gefiel nicht, dass sie ihn alle fragten nach dem Lager und immerzu nach dem Lager.
– In Polen sind wir gewesen!, schrie er und ging an den Tresen.
– Wir haben die Front verstärkt!! Nachgerückt!! Die Wehrmacht unterstützt! Was meint ihr, weshalb ich befördert bin – doch nicht, weil ich da Aufseher war oder was!
– In Polen!, sagte der Franzens Julius. Da kannst du stolz drauf sein!! Ha! Die waren frech, die Pollacken! Haben uns Danzig weggenommen! Das haben sie sich anders vorgestellt! Aber nicht mit uns!
– Das war eine ganz schöne Sauarbeit!, sagte Heinrich.
– Naja, an der Front, sagte Julius und ließ noch zwei Schnäpse bringen für den Heinrich und sich. Das ist immer ein Abschlachten, das kann ich dir sagen, ich war 14/18 in Frankreich dabei, im Stellungskrieg, zwei Wochen im Regen, ich träume da heut noch von …
Heinrich trank einen Schnaps und noch einen Schnaps und meinte, der Julius werde ihn schon verstehen, und fing auf einmal an zu lachen.
– Aber Polen …, sagte er verschwörerisch. – Die Polen haben wir auch bald geschafft!
– Wieso, sagte Julius. Polen ist doch schon besiegt.
Heinrich tippte sich an den Kragen.
– Ich meine, wir haben da mal schön aufgeräumt!
Dann grinste er.
– Ja wie denn, aufgeräumt??
Heinrich kippte den nächsten Schnaps und wischte sich den Mund ab und stützte die Hand auf den Schenkel und prahlte:
– Na, wir haben sie alle erwischt!! Hier, … Posen, die Gegend … Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente rückwärts der fechtenden Truppe!
Julius kapierte
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