Applaus für eine Leiche
Requisitenkammer Räuber und Gendarm zu spielen. Albert bereute diesen Einfall jetzt bitter, und wir nahmen es ihm ab. Er hatte den Revolver in die Hand genommen, das klassische Hands up ! gerufen, die Waffe auf seinen väterlichen Freund gerichtet und abgedrückt. Zu seiner großen Überraschung war tatsächlich eine Kugel ausgespuckt worden.
Man konnte nur schwer an seiner Aufrichtigkeit zweifeln. Sein Benehmen, seine Ausdrucksweise, alles an ihm legte nur einen Verdacht nahe: daß der Junge nicht log.
„Ich hoffe“, schloß er, „daß Monsieur Lhéron durchkommt.“
„Das hoffe ich auch, sowohl für ihn als auch für Sie“, sagte der Kommissar. „Nach unseren heutigen Gesetzen bekommt man wegen fahrlässiger Tötung weder eine Belohnung noch einen Orden oder Blumen. Dabei fällt mir ein... Wissen Sie, was mit dem Rosenstrauß passiert ist, der in der eben gedrehten Szene auf der Kommode stand?“
„Der Ro... Rosenstrauß?“ stammelte Albert, der mit seinen Gedanken noch bei Monsieur Lhéron war.
Wahrscheinlich stellte er ihn sich in einem Krankenhausbett vor. Wirklich eine „verdammte Scheiße“, wie er schon so oft versichert hatte. Wenn sein Chef abkratzte, würde er bis zum Hals drinstecken. Und da fragte ihn der Kommissar nach einem Blumenstrauß! Bestimmt dachte der Junge sofort an Beerdigungsblumen...
„Los, kommen Sie zu sich“, drängte der Inspektor ungeduldig, packte den Verstörten am Arm und schüttelte ihn.
Auf diese Behandlung reagierte Albert. Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und kam wieder zu sich, ganz so, wie es der Flic von ihm verlangt hatte. Der Strauß... äh... also, der Strauß, ja? ... Ja, er verstehe wohl, was gemeint sei... Ja, ja, der Rosenstrauß auf der Kommode... Nun ja, er habe ihn weggeräumt, zusammen mit einigen anderen Requisiten... Er sei nicht hier? Der Strauß? Komisch... Er müsse aber eigentlich in der Requisitenkammer sein... Es sei denn... Also, dann sei er bestimmt noch auf der Szene... Nein? ... Tja, dann... Er erinnere sich nicht genau, wer ihn weggeräumt habe, er selbst oder Lhéron... Der arme Monsieur Lhéron! Er werde doch überleben, ja? Also, wenn er nicht durchkäme, das wär vielleicht ‘ne Scheiße...
„Jetzt reicht’s aber!“ brüllte der Kommissar, dem es anscheinend wirklich reichte. Das sah man an seinem Fuß, mit dem er ungeduldig auf den Boden klopfte. „Sie sind aber auch zu blöd zum Sterben, sonst wären Sie schon längst tot! Halten Sie die Klappe! Dominique...“ (Ein hübscher Name für einen Inspektor!) „...versuchen Sie, diese verdammten Blumen zu finden. Irgendwie!“
„Was waren das für Blumen?“ fragte der Inspektor.
Kommissar Petit-Martin verdrehte die Augen. Ich antwortete an seiner Stelle:
„Rosen, Monsieur Dominique, ein Arm voller Rosen.“
Der Inspektor entfernte sich.
„Und passen Sie auf“, rief ich ihm hinterher, „für den Fall, daß der Strauß tatsächlich mit Gift besprüht wurde! Wenn Sie dran riechen, kriegen die Leichenbestatter Scherereien mit der Gewerkschaft... wegen der Überstunden... Ach, Quatsch!“ fuhr ich in Zimmerlautstärke fort, „wenn sich auf den Blumen tatsächlich Gift befindet, werden sie nicht einfach so rumliegen.“
„Glauben Sie, daß wir sie dann nicht finden werden?“ fragte mich der Kommissar mit einem eigenartigen Unterton.
Anscheinend hatte er eine abenteuerliche Vorstellung von dem, was in meinem Hinterkopf vor sich ging.
„Nein, dann werden wir die Rosen nicht finden“, antwortete ich. „Daß sie nicht hier sind, sagt alles. Man hat sie wegräumen lassen, ganz vorschriftsmäßig. Und wenn Sie nur ein wenig daran geschnuppert haben, um sich an ihrem Duft zu erfreuen“, sagte ich zu Albert, „dann kann ich Sie trösten... In dem Fall spielt es wirklich keine Rolle, ob Monsieur Lhéron durch Ihren Schuß tödlich verletzt wurde oder nicht. „
„Himmel, Arsch und Zwirn!“ Jetzt war Petit-Martin mit Fluchen an der Reihe. „Was für eine Geschichte! Ich bin zwanzig Jahre bei der Kripo, aber so was ist mir noch nicht untergekommen. Das ist ja reinstes Kino, was? Und die Kugel, wie ist die Kugel in den Revolver gekommen?“
„Bestimmt nicht von alleine. Ich hab das Gefühl, daß die Sterne für Favereau heute nicht günstig standen. Ungünstige Sterne für den Star! So oder so, heute war er dran.“
„Sie meinen...“
„...daß die Kanone eine wichtige Rolle spielte. Albert wird uns sagen können, ob sie im Film verwendet werden
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