Applaus für eine Leiche
Warum machen Sie jetzt einen Rückzieher und widersprechen sich selbst? Die Rosen wurden mit Gift besprüht und werden nicht wieder auftauchen.“
„Das ändert nichts an der Geschichte“, beharrte ich auf meinem Standpunkt. „Ganz im Gegensatz zu der in verbrecherischer Absicht geladenen Browning ! Welches Gesicht würden Sie machen, wenn ich Ihnen eröffnen würde, daß man nicht nur Favereau ermorden wollte, sondern das Ehepaar Favereau?“
Das Gesicht des Kommissars war sehenswert.
„Das müssen Sie mir erklären“, sagte er.
Ich stand auf und reichte ihm das Drehbuch. „Dieses Büchlein hier hat sich ganz von alleine geöffnet, weil hinten ein maschinengeschriebenes Blatt Papier hineingelegt worden war. Darauf ist eine Änderung des Drehbuchs vermerkt. Beim Film wird manchmal in letzter Minute noch was geändert... Aber lesen Sie selbst... Ja, die Seite, die mit einem blauen Stift kreuzweise durchgestrichen ist.“
Er las laut. Marc Covet sah ihm über die Schulter.
„398. — Großaufnahme: Juliens Hand mit dem Revolver.
399. — Fortsetzung. Halbtotale: Julien führt den Revolver an seine Schläfe.
Julien: Ach, das Ende!
Schuß.
400. — Julien auf dem Boden, den Revolver in der Hand.
Nun, das ist die Selbstmordszene“, kommentierte der Kommissar. „Sie hätte fatale Folgen für Favereau gehabt, wenn er nicht schon vorher einen anderen Tod gestorben wäre.“
„Stimmt, aber die Szene ist durchgestrichen. Hier ist das lose Blatt mit der Änderung:
398. — Großaufnahme: Jacquelines Hand mit dem Revolver... Favereau hatte seinen Vornamen im Drehbuch beibehalten. Das ist beim Film manchmal üblich. Manchmal. Denn Madame Baga hat ihn geändert. Sie sind doch Jacqueline, Madame, nicht wahr?“
„Ja“, flüsterte sie.
„Verdammt und zugenäht!“ fluchte der Kommissar und riß mir das Blatt aus der Hand.
Und Marc Covet ließ bei der Gelegenheit auch noch gleich ein paar Flüche los.
Schwenk
„Jawohl!“ rief ich triumphierend. „Wir dürfen uns nicht mehr nur auf die Feinde von Julien Favereau konzentrieren, sondern müssen nach den Personen Ausschau halten, die auch seine Frau mit ihrem Haß verfolgt haben. Der Mörder muß über die Heirat und die Änderung im Drehbuch Bescheid gewußt sowie Zugang zu der Requisitenkammer gehabt haben. Außerdem muß er über chemische Grundkenntnisse verfügen. Diese Anhaltspunkte dürften den Kreis der Verdächtigen erheblich einschränken.“
Kommissar Petit-Martin sah die Schauspielerin nachdenklich an.
„Wer hatte die Idee zu dieser Änderung?“ fragte er. „Haben Sie vielleicht darauf bestanden?“
„Ja“, flüsterte Madame Baga-Favereau.
„Sie wußten nicht, daß Sie mit Ihrem Leben spielten...“
Er klärte sie über den Unfall auf, dem der Requisiteur durch die Leichtfertigkeit seines Assistenten zum Opfer gefallen war. Janine Baga wurde blaß, wollte etwas sagen - jedenfalls öffnete sich ihr Mund, vielleicht um einen Entsetzensschrei auszustoßen — , warf die Arme in die Luft und fiel zum zweiten Mal vor unseren Augen in Ohnmacht.
„Gut gemacht“, zischte Marc Covet und half, die unglückliche Frau auf das Sofa zu legen.
„Die Künstlerin wiederholt sich“, bemerkte Petit-Martin lachend.
„Diesmal handelt es sich nicht um einen Nervenzusammenbruch“, sagte ich, „sondern um eine einfache Ohnmacht. Es sah so aus, als hätte sie Angst bekommen. Damit meine ich nicht nur den nachträglichen Schrecken, einer tödlichen Gefahr entronnen zu sein. Nein, da ist noch etwas anderes.“
„Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen.“
Der herablassende Ton des Kommissars mißfiel mir.
„Im Ernst? Sagen Sie’s, damit wir was zu lachen haben.“
„Hören Sie, Monsieur Burma“, entgegnete er aggressiv, „ich hab Sie zunächst für einen sympathischen Zeitgenossen gehalten. Doch ich muß feststellen, daß Sie bereits alle Charakterzüge Ihrer älteren Kollegen besitzen. Sie werden bestimmt Karriere machen! Ich werd Ihnen mal was verraten: Nicht nur Privatdetektive haben gute Ideen. Auch schlechtbezahlte Beamte wie ich werden hin und wieder erleuchtet.“
„Dann beweisen Sie’s uns doch!“
Kommissar Petit-Martin ließ sich nicht lange bitten. Siegesgewiß setzte er uns seine Theorie auseinander:
Janine Baga war demnach die Mörderin ihres Mannes. Das Motiv war noch unklar; aber zur Not konnte man die Enttäuschung einer Ehefrau heranziehen. Sie war verheiratet, wurde aber kaum besser behandelt als vor der Hochzeit.
Weitere Kostenlose Bücher