Applaus für eine Leiche
sollte.“
Ich wandte mich an den Jungen, der wie abwesend vor sich hin starrte.
„Hör mal, Kleiner, vielleicht renkt sich ja alles wieder ein. Wenn wir herausfinden, wer den Revolver geladen hat, kommst du nicht wegen fahrlässiger Tötung dran, das verspreche ich dir. Also, was hatte die Waffe hier zu suchen?“
Als Albert sich entschloß, mir zu antworten, bestätigte er meine Vermutung: Mit dem Revolver sollte Favereau einen Selbstmord vortäuschen. Ich wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Kommissar Petit-Martin.
„Die Person, die Favereau ans Leder wollte, hat sich große Mühe gegeben“, stellte ich fest. „Würde mich nicht wundern, wenn das ganze Studio vermint wäre.“
„Wer hatte Zugang zur Requisitenkammer?“ erkundigte sich der Kommissar.
„So gut wie jeder“, sagte Albert. „Hier laufen immer alle vorbei.“
„Schließen Sie die Tür nicht ab?“
„Wir haben den Schlüssel... äh... verlegt. Monsieur Lhéron war... äh... ist sehr unordentlich. Und da wir keine wertvollen Dinge aufbewahren
„Weil er die Tür nicht abgesperrt hat, läuft er Gefahr, in eine Kiste gesperrt zu werden! Geschichten, die das Leben schreibt... Sag mal, habt ihr die Rumpelkammer für längere Zeit unbeaufsichtigt gelassen?“
„Na klar!“
„Und wen hast du heute hier Vorbeigehen sehn?“
„Ach, wissen Sie, es waren so viele „Und dann noch die, die du nicht gesehen hast! Sie müssen wissen, Kommissar, niemand hat nämlich Janine Bagas Garderobiere gesehen, wie sie die Blumen in die Garderobe gebracht hat, angeblich um sie zu schmücken.“
„Haben Sie Janine Baga hier in der Nähe gesehen?“ fragte Petit-Martin.
„Nein“, antwortete Albert.
Plötzlich überkam mich das Gefühl, auf der falschen Spur zu sein. Die Möglichkeit, den Revolver unbemerkt zu laden, ging mit der Möglichkeit einher, bei derselben Gelegenheit die Blumen mitzunehmen. Wenn Janine Baga die erste Möglichkeit genutzt hatte, dann auch die zweite. Es wär nicht sehr schlau von ihr gewesen, die Garderobiere loszuschicken, um den Rosenstrauß zu holen. Ich teilte dem Kommissar meine Überlegungen mit.
„Aber Sie waren es doch, der mich auf diese Spur gebracht hat“, bemerkte er stirnrunzelnd. „Befürchten Sie jetzt, daß ich die Spur verfolge? Erzählen Sie mir bloß nicht, daß Sie sich geirrt haben! Es wäre das erste Mal, daß ein Privatdetektiv einen Fehler zugibt.“
„Ich bin eben Anfänger“, erwiderte ich. „Jeder kann sich mal irren. Diese Geschichte mit dem Revolver verändert alles.“
„Favereau ist nicht erschossen worden. Ich halte mich an die Fakten. Er hat ein tödliches Parfüm eingeatmet. Und die Blumen, an denen er gerochen hat, sind verschwunden. Wir sollten die Schauspielerin befragen“, beschloß er plötzlich. „Das ist besser, als unverdautes Zeug von sich zu geben.“
Da hatte er recht. Vor allem, wenn man den letzten Satz auf ihn selbst bezog!
Wir machten uns auf den Weg zu Janine Bagas Garderobe. Die Betreuung des unglücklichen Albert übernahm ein Uniformierter.
* * *
Die Schauspielerin hatte Marc Covet ein Interview gewährt. Wie ich schon vermutet hatte, war der Journalist inzwischen ins Studio zurückgekommen und hatte auf die Erlaubnis des Arztes gewartet, mit Janine Baga sprechen zu dürfen. Von ihren Gefühlen hin- und hergerissen, machte die Künstlerin kaum noch einen Unterschied zwischen dem, was sie sagen sollte und was sie besser nicht sagen sollte und vor allem wem. Natürlich konnte sie dem Mann, der vorhin für sie Partei ergriffen hatte, schlecht ein Interview verweigern.
„Hier steht alles, was Sie interessieren könnte, Kommissar!“ rief Marc Covet und schwenkte einen Notizblock. „Sie ersparen der Dame ein anstrengendes Verhör, wenn Sie sich von mir vorlesen lassen, was heute abend im Crépu steht!“
„Kümmern Sie sich nicht um Dinge, die Sie nichts angehen“, herrschte Petit-Martin den Journalisten an. „Ich erledige meine Arbeit lieber persönlich. Aber das da“, fügte er hinzu und schnappte sich den Block, „kann ich gut gebrauchen. Ich werde sie mit ihren eigenen Worten konfrontieren. Und jetzt gehen Sie was trinken... oder bleiben Sie hier. Das ist mir egal. Doktor, Sie bleiben! Sie waren bei dem Interview dabei, und außerdem könnte die Dame wieder in Ohnmacht fallen.“
Der Gerichtsmediziner zündete sich eine Zigarette an und setzte sich brav auf einen Stuhl neben der Tür. Marc Covet unternahm keinen Versuch, sein Eigentum
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