Applaus für eine Leiche
Sogar für den aufwendigen Lebensstil ihres geliebten Gatten mußte sie aufkommen. Eifer- und rachsüchtig, gekränkt, hintergangen: gute Gründe, um den Blumenstrauß zu vergiften, an dem Favereau laut Drehbuch riechen sollte. Um sich eine Art Alibi zu verschaffen und den Verdacht von sich abzulenken, hatte sie eine Änderung des Drehbuchs veranlaßt. Die Kugel im Revolver sollte die Polizei auf den Gedanken bringen, daß auch auf sie ein Attentat geplant war.
„Dann hätte diese Frau also die Kugel, die Monsieur Lhéron gerade im Hospital verdaut, in den Revolver gesteckt?“
„Aus Ihnen wird noch mal was!“ lobte mich der Kommissar. „Ja, mein lieber Monsieur Burma, und sie ist tatsächlich aus Angst in Ohnmacht gefallen... Aus Angst, daß ihr Plan nun ans Tageslicht kommen wird.“
Erinnerte sich der Kommissar daran, daß ich Janine Baga als erster verdächtigt hatte? Doch zu dem Zeitpunkt war es nur um den Mord an Julien Favereau und um die Rosen gegangen. Inzwischen hatte sich der Unfall mit dem Revolver ereignet. Und das — davon ließ ich mich nicht abbringen — änderte alles. Petit-Martins These befriedigte vielleicht einen Kriminalkommissar und seinen Inspektor, hielt jedoch einer genaueren Überprüfung nicht stand. Unklar blieb nach wie vor, warum Janine Baga — angenommen, sie war die Täterin — heimlich die Waffe geladen und nicht an Ort und Stelle die Rosen mit Gift besprüht hatte. Warum mußte ihre Garderobiere den verhängnisvollen Strauß in die Garderobe der enttäuschten Ehefrau bringen?
„Entschuldigen Sie, Kommissar“, sagte eine Stimme.
Wir drehten uns um. Im Türrahmen stand Inspektor Dominique. Er sah aus wie ein Brautführer in einem Film von René Clair, mit dem, was er in der Hand hielt: einen Rosenstrauß, staubig allerdings und reichlich zerfleddert. Der Kommissar zuckte zusammen.
„Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe“, ermahnte ich ihn. „Wenn die Blumen mit Gift besprüht worden sind, finden wir sie nicht wieder.“
„Monsieur hat recht“, sagte Dominique kleinlaut. „Keine Spuren von Gift.“
Er warf den Strauß in eine Ecke des Zimmers.
„Woher wissen Sie das?“ fragte sein Vorgesetzter ärgerlich.
Der Inspektor betrat die Garderobe. Hinter ihm erschien ein junger Bühnenarbeiter im blauen Overall.
„Ich habe mich ein wenig umgehört. Der Strauß lag hinter einem Gerüstpfeiler. Sah nicht so aus, als hätte ihn jemand sorgfältig verschwinden lassen. Ich hatte am Kleid der Kantinenkellnerin eine Rose bemerkt, die offensichtlich aus dem Strauß da stammte. Das Mädchen hat mir verraten, daß der junge Mann hier...“
Er wies auf den Bühnenarbeiter, der jetzt schüchtern hereinkam.
„Er ist ein Verehrer des Mädchens und hat ihr die Rose geschenkt. Hat sie aus dem Strauß geklaut, nachdem die verhängnisvolle Szene gedreht worden war. Das heißt — unserer vorläufigen Theorie zufolge — , nachdem die Blumen vergiftet worden waren. Das heißt weiterhin, daß das Mädchen etwa zur gleichen Zeit wie Favereau an der Rose geschnuppert hat. Und da sie noch nicht gestorben ist, nicht mal irgendein Unwohlsein verspürt...“
„Vielleicht hat sich das Gift nicht auf alle Blumen verteilt“, hielt der Kommissar dagegen.
„Wir müssen unsere These fallenlassen, Kommissar“, erwiderte der Inspektor bedauernd. „Hören Sie sich an, was dieser Zeuge zu sagen hat.“
Der Bühnenarbeiter nahm seine Mütze ab.
„Also, das war so, Messieurs“, begann er. „Ich lungerte da so rum, und da kommt Lhéron mit seinen Rosen. Ich steck meinen Kopf in den Strauß und sage noch: ,Hu, riechen die aber gut!’ Also, die rochen wirklich nicht schlecht. Wenn ich mir überlege, daß...“
„Sie haben ihren Kopf zwischen die Blumen gesteckt, sagen Sie?“
„Ja, M’sieur. Bis zum Hals! Und wenn M’sieur Favereau daran gestorben ist, dann frag ich mich, ob ich dagegen immun bin oder was... Unser Chef sagt immer, Unkraut vergeht nicht...“
„Sie können gehen“, sagte Petit-Martin seufzend. Ihn interessierte nicht, was der Chef der Bühnenarbeiter immer sagte.
* * *
Janine Baga schlug die Augen auf.
„Ich glaube, es ist nicht nötig, sie noch weiter zu belästigen“, sagte ich. „Der Blumenstrauß erlaubt es uns nicht, hinter die Kulissen des Mordes zu schauen. Seine Harmlosigkeit...“
„Seine Harmlosigkeit...“ brummte der Kommissar. „Schön und gut, aber woran ist Favereau dann gestorben? Der Doktor ist doch kein Esel, verdammt nochmal!
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