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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Und wenn er behauptet...“
    „Seine Diagnose will ich auch nicht in Zweifel ziehen“, unterbrach ich ihn. „Favereau hat etwas Ungesundes eingeatmet, das steht fest. Aber der Rosenstrauß hat uns auf die falsche Fährte geführt. Madame Baga hatte ihn eine Weile hier in der Garderobe. Doch hätten wir uns die Frage stellen müssen, ob das ihr unterstellte Tatmotiv für einen Mord ausreichte! Eine enttäuschte Ehefrau muß nicht gleich ihren Mann umbringen. Wie ein Stier aufs rote Tuch haben wir uns auf das Offensichtliche gestürzt... und dabei übersehen, daß es noch andere Verdächtige mit weniger vagen Motiven gibt.“
    „Zum Beispiel?“
    Ich nannte den Namen Marchand.
    „Davon habe ich auch gehört“, meldete sich Inspektor Dominique zu Wort. „Wollte es Ihnen grade erzählen, Kommissar. Marchand ist einer der Bühnenarbeiter. Hat seine Tochter durch Favereaus rücksichtsloses Verhalten verloren.“
    Und er erzählte die traurige Geschichte von Raymonde Marchand. Ich beeilte mich hinzuzufügen, daß ich ihren Vater nicht für den Mörder hielt. Sicher, der Tod seiner Tochter hatte ihn sehr mitgenommen, und sein Kummer konnte ihn zu einer unüberlegten Tat hinreißen. Doch ich sah das anders. Der kurze Augenblick, in dem ich den frühzeitig gealterten Mann gesehen hatte, hatte genügt, mir ein Bild von ihm zu machen. Wäre er Favereau in den ersten beiden Tagen nach Raymondes Tod begegnet, dann wäre er mit einem Hammer auf ihn losgegangen. Jetzt war es zu spät für solch eine Reaktion. Und selbst wenn es noch nicht zu spät dafür war, stimmte die Waffe nicht. Gift! Nein, Marchand hätte einen Hammer genommen, einen Scheinwerfer oder eine Stange. Gift war eine zu raffinierte Waffe — vor allem, wenn man an die Art der Verabreichung dachte! — und außerdem zu hinterhältig. Im übrigen wußten wir noch nicht, welches Gift verwendet worden war. Vielleicht handelte es sich um eine völlig unbekannte, eigens für diesen Zweck hergestellte Mischung. Und dazu waren chemische Kenntnisse notwendig, die der Bühnenarbeiter nicht besaß.
    „Ja, die Psychologie…“ spottete der Inspektor.
    Ich werde niemals erfahren, was Monsieur Dominique damit sagen wollte, denn ich hörte nicht mehr zu. Mir war eine Idee gekommen. Ob der Gedanke an einen Hammer oder an die Psychologie mich darauf brachte, weiß ich nicht. Ich nehme an, der Hammer war der Auslöser. Ich erinnerte mich an die Szene, als der Maskenbildner das Gesicht des Stars bearbeitet hatte. Ich hatte damals gedacht, daß der Russe so aussehe, als bedaure er, die Puderquaste nicht mit einem Hammer vertauschen zu können. Hinterhältigkeit, Geduld, Raffinesse, Chemiekenntnisse, das alles paßte viel besser zu dem Maskenbildner als zu dem Bühnenarbeiter. Ich teilte dem Kommissar meine Gedanken mit und fuhr fort:
    „Sein neuer, weißer Kittel läßt darauf schließen, daß er heute erst engagiert worden ist. Wutentbrannt betrat er die Garderobe, und seine ersten Worte betrafen Favereau. Mit ihm arbeiten zu müssen, schien ihm ebensowenig in den Kram zu passen wie die Oktoberrevolution. Die ganze Zeit hat er geschimpft.“
    „Was genau hat er denn gesagt?“
    „Er hat russisch gesprochen. Ich habe nur ein Wort verstanden: Favereau!“
    „Und?“
    „Der Tonfall war eindeutig. Und Wladimirs Verhalten — Wladimir ist der Künstler, der mir die hübsche Fratze verpaßt hat. Möchte wissen, ob ich die jemals wieder loswerde... Also, Wladimirs Verhalten war ebenfalls eindeutig. Er schien verlegen, vielleicht weil er befürchtete, ich könnte etwas verstehen und es Favereau weitererzählen. Doch ist die Tatsache, Favereau nicht anzuhimmeln, nicht verdächtig. Vor allem, wenn man männlichen Geschlechts ist. Außerdem schien Wladimirs Kollege erst kurz vorher erfahren zu haben, daß er mit Favereau arbeiten sollte. Seine ärgerliche Überraschung kann natürlich auch nur gespielt gewesen sein. Vielleicht wußte er sehr wohl, wen er mit seinem Puder zu verhübschen hatte... Er hat dem Don Juan eine Spezialmischung gemixt und sie ihm mit dem Puder aufs Gesicht gestäubt. Ich erinnere mich, daß er sich dabei sehr viel Zeit gelassen hat. Übrigens hat der Verstorbene mir gegenüber nicht bestritten, daß er sich von dem Russen ,eine Frau ausgeliehen’ hatte, wie er sich ausdrückte. Mein Klient war jedoch der Meinung, daß er — genauso wie Marchand — schon längst etwas unternommen hätte, wenn er eine derartige Absicht gehabt hätte. Das sollte uns aber

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