Apple - Die Geburt eines Kults
Gesichter. Apples erste Empfangsdame, Sekretärin und allgemeines Faktotum war Sherry Livingston, eine kesse, kluge Frau, die bei National Semiconductor für Scott gearbeitet hatte. Livingston war unsicher, was Apples Aussichten anging, und ließ sich von seinem Durchhaltevermögen erst überzeugen, als Markkula eine Schublade voller Bestellungen aufzog. Gene Carter, der bei Fairchild eine Weile Scotts Chef gewesen war, suchte eine Stelle und wurde Apples Verkaufs- und Vertriebsleiter. Als Scott jemanden haben wollte, der die Bücher überwacht, wandte er sich an Gary Martin, einen fröhlichen, redseligen Buchhalter, der bei National Semiconductor für ihn gearbeitet hatte. Martin warf einen Blick auf den Apple II und dachte sich: „Wer zum Teufel will denn so ein Ding haben? Scott tat mir ziemlich leid, und ich versuchte, ihn zum Essen einzuladen.“ Schließlich beschloss Martin, es einen Monat mit Apple zu probieren, nachdem sein Chef bei National versprochen hatte, dass er seine Sicherheitsmarke nicht einziehen würde.
Andere kamen freiwillig. Wendell Sander, ein schüchterner Ingenieur und Spürhund bei Fairchild, war von Apple fasziniert, seit der Apple I einige von ihm designte Speicherchips bekommen hatte. Er schrieb ein Star-Trek-Programm zur Unterhaltung seiner Kinder, führte es Jobs vor, als sich Apple noch in der Garage befand, und beschloss schließlich, nach 13 Jahren Fairchild seine Leidenschaft zum Leitstern zu machen. „Wenn die pleitegegangen wären, hätte ich am nächsten Tag wieder einen Job gehabt. Das persönliche Risiko war abgesehen von einem verletzten Ego nicht besonders groß. Meine Karriere hätte sich dadurch nicht in Luft aufgelöst.“ Jim Martindale, der bei Atari ein Kollege von Jobs gewesen war, wurde zur Betreuung der Produktion eingestellt, während Don Bruener, ein Highschool-Schulkamerad von Randy Wigginton, Teilzeit-Techniker wurde. Jobs College-Kommilitone Dan Kottke machte seinen College-Abschluss und wurde Apples zwölfter Mitarbeiter. Elmer Baum fing in der Endmontage an. Fast niemand dachte daran, dass die Entscheidung, zu Apple zu gehen, gefährlich wäre. Vielmehr schienen alle das Gefühl zu haben, am riskantesten wäre es, wenn sie untätig dasitzen würden.
Die neuen Mitarbeiter, die im späten Frühjahr und im Sommer 1977 kamen, fanden sich in einem kleinen Unternehmen wieder, das sich durch klare Versprechungen gebunden hatte. Eine Anzeige im Homebrew-Newsletter vom 16. Februar 1977 versprach die Lieferung des Apple II spätestens zum 30. April 1977. Außerdem hatte Markkula beschlossen, Apple könne sich eine Menge Ärger sparen, wenn es den Apple-I-Besitzern die Wahl zwischen einer vollständigen Erstattung oder dem Umtausch gegen einen Apple II bieten würde. Das Erwachsenwerden – zumindest das, was im Silicon Valley als Erwachsenwerden durchging – bescherte Apple einen gewissen Sinn für Disziplin. Es erwies sich zwar als mühselig, Erfahrung mit Überschwang zu verbinden, aber es war auch eine glückliche Kombination. Die Erfahrung half, Impulse zu dämpfen und ein Gefühl der Disziplin zu vermitteln, während die Unschuld zwangsläufig Konventionen und Autoritäten infrage stellte.
Wozniak, Jobs, Holt, Markkula und Scott achteten penibel auf technische Aspekte und begriffen mehr oder weniger Umfang und Konsequenzen der elektrischen Probleme, die auftraten. Sie hatten aber auch ernste Differenzen und mussten die Zusammenstöße bewältigen, die zwischen Männern auftraten, die ein Drehbuchautor in Hollywood als den Bastler, den Ablehner, den Reparierer, den Friedensstifter und den Durchsetzer hätte bezeichnen können. Am Anfang hatten sie keine gemeinsamen Erfahrungen von der Art, die entsteht, wenn man Fehler überlebt und Ärger übersteht. Holt fand: „Viel Vertrauen gab es da nicht. Die Frage war nicht, ob man der Ehrlichkeit der anderen traute, sondern dem Urteilsvermögen der anderen. Da kam man vielleicht insgesamt auf 70 Prozent. Das war ein Geschäft, keine Familienangelegenheit.“
Scott und Jobs kamen einander fast von Anfang an in die Quere. Scott war in seiner seltsamen Position als Verwalter des Unternehmens und Hüter von Apples inneren Angelegenheiten Jobs’ erste Begegnung mit einer unnachgiebigen Autorität. Bevor Scott kam, hatte Jobs alles gemacht, was er wollte. Als Scott Präsident geworden war, merkte Jobs, dass ihm Grenzen gesetzt wurden. Die beiden gingen aus verschiedenen Blickwinkeln an das Leben heran. Scott fand
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