Apple - Die Geburt eines Kults
informelle Besprechung. Keine große Sache. Wir fragten bloß, ob er fünf Minuten Zeit hätte, und zeigten ihm das Board von Woz. Uns wurde gesagt: ‚HP will nicht auf diesen Markt.‘“
Als Wozniak seinen namenlosen Computer mit in den Homebrew Club nahm, wurde er ebenfalls kühl aufgenommen. Das war auch nicht überraschend, denn eine Umfrage bei einer Clubversammlung im Oktober 1975 hatte ergeben, dass von den 38 Computern der Mitglieder 25 entweder Altairs waren oder einen 8080 enthielten, während nur einer einen 6502 enthielt. Wozniak schloss seinen Computer an einen Schwarz-Weiß-Fernseher an, schloss dann ein Speicherboard mit vier Kilobyte an, das ihm Myron Tuttle geliehen hatte, und tippte geduldig ein BASIC-Programm ein. Es herrschte zwar ein gewisses Maß an Überraschung darüber, dass auf einer Maschine mit so wenigen Chips BASIC lief, aber die meisten Clubmitglieder machten sich nicht einmal die Mühe, sich den Computer näher anzusehen. Den wenigen, die sich dafür interessierten, gab Wozniak Schaltpläne, und später rückte er seine neue Maschine in die richtige Perspektive: „Das war nicht so schwierig wie so mancher andere Computer, den ich entworfen hatte.“
„Die Zeit bis zur Fertigstellung ist eine Konstante.“
– ANDY HERTZFELD
Die warme Schwüle des Sonntagnachmittags drückte gegen die Glasscheiben auf der Rückseite des Mac-Labors. Die Klimaanlage, die an Werktagen durch die gesprenkelten Deckenplatten vibrierte, war abgeschaltet. An zwei Stellen wurde die dichte Dunkelheit zerschnitten. Ein sanftes Licht quoll aus der Programmierkabine von Andy Hertzfeld und ein Würfel kalten Neonlichts erleuchtete den Ingenieurstisch, an dem Burrell Smith die Haut von seinen Knöcheln abnagte. Hertzfeld kam aus seiner Kabine und ging hinüber zu dem Tisch, wo Smith sich von seinem Laborstuhl erhob. Beide waren kleiner als die mit Oberlichtern versehenen Trennwände, welche die einzelnen Büros voneinander trennten. Sie blickten auf eine gedruckte Schaltung, die mit Messfühlern und Kabeln wie mit Girlanden geschmückt war und die aussah wie ein Magen, der mit Nähten, Wundhaken und Klammern offen gehalten wurde. Die Messfühler waren an einen Logikanalysator angeschlossen und die Zeilen auf seinem grünen Bildschirm zeigten die Signale an, die aus dem Mikroprozessor herauskamen. Smith war am Tag davor erst um halb zwölf abends heimgegangen, und dann hatte er bis drei Uhr morgens wachgelegen und darüber nachgedacht, weshalb die Speicherchips des Mac nicht richtig wieder aufgefüllt wurden. Weder er noch Hertzfeld hatten jemals an einem Projekt so lange gearbeitet. Beiden war anzusehen, wie anstrengend es war, einen Computer zu entwerfen, und beide arbeiteten härter als je zuvor. Smith war 26 und Hertzfeld 29, aber beide sahen älter aus. Hertzfelds Augenlider sahen hinter den Brillengläsern aus wie angeschwollene Blutegel, seine Wangen waren unrasiert und blass. Die fahlen Ringe um Smiths Augen waren Anzeichen der Übernächtigung. Beide hatten schlaffe Fastfood-Rettungsringe um die Hüften. Hertzfeld hatte festgestellt, dass die Entwicklung eines Computers das Zeitgefühl verzerrt: „Ich dachte immer, sechs Monate wären eine lange Zeit; sind sie aber nicht. Die kommen einem vor wie ein Augenblick.“ Smiths kastanienbraunes Haar war auf der einen Seite hinters Ohr geschoben und auf der anderen Seite hing es in einer dünnen Locke darüber. Er nuschelte hektisch: „Das ist total irre.“ Hertzfeld fragte in lustlosem Ton: „Und woher weißt Du, dass Du es behoben hast, wenn Du nicht weißt, wie es auftritt?“ Smith erwiderte: „Das ist so frustrierend, weil ich nicht bewiesen habe, dass ich das Problem nicht lösen kann, aber auch nicht bewiesen habe, dass ich es lösen kann.“ Hertzfeld seufzte. „Irgendwann werden wir noch abergläubisch. Wir werden erleben, dass es funktioniert, aber wir werden nicht sicher sein, dass es funktioniert.“
Smith versuchte schon seit Tagen, das Rätsel zu lösen. Zum ersten Mal hatte er gemerkt, dass der Computer nicht richtig funktionierte, als die anderen Ingenieure die ihrer Meinung nach erfolgte Fertigstellung des ersten Mac-Prototyps feierten. Smith hatte auf den Champagner verzichtet, der bei Apple (und speziell in der Mac-Gruppe) die Angewohnheit hatte, selbst nach dem kleinsten Meilenstein aufzutauchen, saß alleine da und schaute den Computer an. Er hatte mit einer Heißluftpistole, die aussah wie ein Fön, und mit einem Kältespray
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