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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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die
Pfoten naßmachen wolle. Jetzt blieb er stehen, ein kluger, distanzierter Hund,
und betrachtete die Szene mit dem Mißfallen des Asketen, wie ein alter
Satiriker, der das Narrenschiff studiert. Einer der Passagiere pfiff taktlos
die Folge kurzer Töne, mit der gewöhnliche Hunde sich rufen lassen. George
drehte sich um, legte sich auf den Bauch und präsentierte dem anstoßerregenden
Bild seine Kehrseite.
    »Natürlich«, fuhr Hailstone fort, »muß ich noch bleiben und Sie
miteinander bekannt machen. Nicht daß ich jemanden von dieser Gesellschaft
näher kennen würde. Sie verstehen sich als die hiesige Jeunesse dorée. Ah, da
wird schon die kleine Gangway ausgefahren. Die Frau, die jetzt als erste an
Land kommt, ist Miss Busst, die Anführerin des Grüppchens.«
    »Die Dicke, die geht, als ob sie Rheuma hätte?« fragte Appleby.
    »Ja. Und der Glatzkopf hinter ihr ist Mr.   Rumsby, der Umtriebigste
unter den Männern. Der, dem sie gerade den Stock reichen. Seine Schwester, Mrs.   Sadgrove, ist nicht dabei. Sie ist ein wenig älter als die anderen und kommt,
glaube ich, nur noch selten aus dem Bett. Und da ist Sir Mervyn Poulish; wie
ich höre, war er früher in Londoner Finanzkreisen ein bekannter Mann, lebt aber
schon seit Jahren sehr zurückgezogen. Das ist es wohl, was alle hier suchen – Zurückgezogenheit. Aber ich wünschte doch, sie würden es nicht gerade auf
meiner Insel tun. Allein schon die Schwierigkeiten, Hausangestellte zu
bekommen. Wenn nur die Einheimischen wirklich so gewalttätig wären, wie Sie
offenbar glauben – dann könnten wir sie vielleicht dazu bringen, daß sie die
ganze himmlische Bagage zur Hölle jagen.« Und Hailstone stieß einen Laut aus,
der halb Kichern, halb Seufzen war.
    Appleby betrachtete die Gesellschaft, die sich ihnen nun den Strand
hinauf näherte. »Sie scheinen allesamt recht alt für die Rolle, die sie sich
ausgesucht haben.«
    »Wie auf einer Ozeanreise – ist Ihnen das jemals aufgefallen?«
Hailstones sonnenbebrillte Züge nahmen plötzlich die Schärfe des Forschers an.
»Machen Sie eine Meerfahrt und Sie bekommen einen Begriff davon, wie die
westliche Welt in vierzig Jahren aussehen wird. Es wird kaum noch junge
Menschen geben. Die Geburtenrate sinkt, die Lebenserwartung steigt, und Jahr um
Jahr wächst das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Aber ein paar Probleme löst
es vielleicht …
    »Dieser Krieg« – nun war Hailstone wieder vage – »sehr verwirrend – irgendwann müssen Sie mir davon erzählen … Ah, Mrs.   Heaven, wie geht es Ihnen?«
    Mrs.   Heaven trug keine Badekleider; sie war die bärtige Dame im
langen Rock. Und ihr Schritt war genauso verwirrend maskulin wie ihre
Gesichtszüge; sie hatte die mühsam schwankende Miss Busst und Mr.   Rumsby
überholt, grüßte Hailstone nur mit einer zackigen Bewegung des Kinns und wandte
sich direkt an Appleby. »Ihre Damen«, fragte sie; »haben sie ihren Schmuck
retten können?«
    »Ich fürchte, nicht viel davon. Wir wurden bei Tage torpediert und
waren an Deck.«
    »Oh.« Mrs.   Heaven machte eine tragische Miene. »Wie traurig für sie.
Willkommen in der Eremitage. Wie heißen Sie? Appleby? Nordenglisch, nehme ich
an. Mein Mann kommt aus Shropshire; das Nest, wo ich herkomme, kennt keiner.
Das ist Miss Busst. Das ist Mr.   Rumsby. George ist immer noch viel zu fett, Mr.   Hailstone. Mit den anderen im Boot mache ich Sie später bekannt. Sie werden
sich gut bei uns amüsieren. Wir amüsieren uns alle gut.«
    »Wir amüsieren uns prächtig«, versicherte Miss Busst mit großer
Vehemenz. »Überhaupt keine Frage.«
    »Wunderbare Küche«, fügte Mr.   Rumsby hinzu. »Meistens kocht Heaven
selbst. Wunderbares Meer. Wunderbar unterhaltsam.« Mr.   Rumsby starrte mit
offenem Mund ins Leere.
    George schnaubte.
    »Prächtiger kann man sich gar nicht
amüsieren«, sagte Miss Busst, ein wenig trotzig. »Wir haben eine Menge Bücher.
Jeden ersten Sonntag im Monat halten wir eine Andacht, jeden Monat. Sir Mervyn
predigt. Ein ausgesprochen frommer Mann; er versichert mir, daß er zu Hause
über Jahre nicht einen einzigen Sonntagsgottesdienst versäumt hat.«
    »Schon«, sagte Appleby. »Aber das waren Gefängnisgottesdienste.«
    Mr.   Rumsby öffnete den Mund noch einen Millimeter weiter; Mrs.   Heaven lächelte freudlos. »Wir wissen natürlich alle, wie übel das Schicksal
ihm mitgespielt hat. Nur reden wir nicht darüber.«
    »Ich bin bei der Polizei, müssen Sie wissen, da fallen einem

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