Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
Vom Netzwerk:
aufs Meer. Bessere Sicht westwärts als um diese
Tageszeit würde er nicht bekommen, aber auch diesmal fand der forschende Blick
am Horizont nichts als eine gleichmäßige blaue Linie. Genau wie vom Gipfel des
Ararat, auch wenn an jenem Tag keine so klare Sicht geherrscht hatte. Er ging
zurück über den losen, trockenen Sand, schon heiß von der Sonne, und zum Rande
des Dschungels. Als er ins Unterholz eintauchte, trug er in Gedanken Unumunus
schweren, toten Leib im Arm. Er wandte sich noch einmal um zum Wasser. Das
Rätsel der Sandbank.
    Das Rätsel der Sandbank; er sagte es in Gedanken ein zweites Mal – und plötzlich hob er die Hand an die Augen und starrte aufmerksam in die Ferne.
Denn am äußersten Ende der Bucht war etwas erschienen, das wie eine riesige
Schildkröte aussah. Aber eine bunte Kröte, eine übergroße Variante dessen, was
man in einem Oxforder Collegehof sehen konnte, oder der
Maryland-Sumpfschildkröte, für einen Wettkampf mit den Farben ihrer Mannschaft
bemalt. Das Tier schien rot und grün kariert und bewegte sich, von unsichtbaren
Beinen getrieben, am Meeressaum entlang. Im ersten Augenblick dachte Appleby,
die Einheimischen hätten sich eine neue Überraschung einfallen lassen. Dann
begriff er, daß das, was er sah, ein Sonnenschirm war – größer als die
Exemplare, die Golfspieler trugen, nicht ganz so groß wie die, die man in
Seebadeorten sah. Darunter erkannte er jetzt ein Paar Beine in weißem Flanell.
Und daneben trottete ein Sealyham-Terrier. Das Ganze bewegte sich durch den
jungen Morgen mit gleichmäßigem Tempo und einem gewissen Maß an
Zielstrebigkeit.
    Wieder mußte Appleby an die Schweizer Familie Robinson denken. In jenem
unsterblichen Buch war der gute Pastor nicht im mindesten überrascht, als seine
Söhne ihm einmal Nachrichten von Löwen und Pinguinen brachten, ein andermal von
Tigern und Eisbären. Ebenso kam einem hier auf der Insel jeder Sinn für das nicht
Zusammenpassende abhanden: Hotels und Eingeborene im Dschungel, schwarze Leichen
und weiße Flanellhosen am Strand. Aber etwas Neues kam hinzu: Den, der sich da näherte,
konnte man fragen, wer er war. Appleby kletterte die Böschung hinunter und ging
mit raschen Schritten auf ihn zu.
    Die Flanellbeine blieben stehen. Der Terrier blieb ebenfalls stehen.
Und eine Stimme rief von unter dem Sonnenschirm: »Nur keine Sorge. George tut
niemandem etwas.«
    Appleby, der nicht auf den Gedanken gekommen war, daß George zu den
Gefahren der Insel gehören könnte, ging unbeirrt weiter. Und nun neigte sich
der Schirm und gab den Blick auf eine wohlbeleibte Gestalt frei, dunkle
Sonnenbrille, makelloser Panamahut. Der Hut wurde gelüpft, und eine Stimme
fragte höflich: »Wie geht es Ihnen?« Es schien eine echte Frage, nicht einfach
nur die übliche Begrüßungsformel, und Appleby konnte nicht anders, er
antwortete, es gehe ihm ausgezeichnet. Der Fremde lächelte, als freue er sich
wirklich darüber. Und George wedelte mit dem Schwanz.
    Eine Pause trat ein, und Appleby fand, daß er es selbst mit einer
Frage versuchen konnte. »Wohnen Sie im Hotel?«
    George knurrte. Die Miene des Fremden verfinsterte sich. »Nein«,
sagte er, »mit dem Hotel habe ich – haben wir , sollte
ich sagen« – er tätschelte George – »nicht das mindeste zu tun. Äußerstenfalls
das Minimum, das die gesellschaftlichen Verpflichtungen gebieten … Darf ich
mich vorstellen: Hailstone, Gregory Hailstone.« Er zögerte, als habe er etwas
auf dem Herzen. »Sie graben nicht zufällig auch?« fragte er wehmütig.
    Appleby hatte keine Ahnung, wovon er sprach, aber er fand es
sicherer zu verneinen. Natürlich hatte er graben müssen, um Unumunu unter die
Erde zu bringen, aber darauf konnte der Fremde kaum anspielen. »Ich bin John
Appleby«, sagte er nur. »Von der Londoner Kriminalpolizei.«
    »Ah. Aber man hofft eben immer, daß man eine verwandte Seele trifft.
Und wer weiß, womöglich haben wir ja auch das Interesse an Zeugnissen der
Vergangenheit gemeinsam.« Hailstone lächelte. Das Lächeln bereitete ihm Mühe,
und Appleby überlegte, ob die Muskeln, die er dazu brauchte, aus der Übung
waren. »Wenn auch die, nach denen Sie graben, vielleicht nicht ganz so alt sind
wie die meinen.« Und Hailstone lächelte wieder, noch mühsamer als beim ersten
Mal. Appleby sah hinunter zu George, der sich sanft in den Sand geschmiegt
hatte. Ihm ging auf, daß mit dem Lächeln ein gewisses Maß an körperlicher
Anstrengung verbunden war. Und auf der Insel

Weitere Kostenlose Bücher