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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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hielt
wieder inne und kratzte sich ratlos mit einer Hinterpfote am Ohr. »Ich fürchte,
sie hat keinen Namen – jedenfalls bisher nicht. Ich war der erste hier, da wäre
es meine Aufgabe, ihr einen zu geben. Und ich habe die Sache verschoben, weil
ich dachte, eines Tages fällt mir ein wirklich schöner Name ein. Ich wollte sie
nach George benennen, aber die Leute aus dem Hotel haben Widerspruch
eingelegt.« Hailstone senkte die Stimme wie jemand, der einem im Aufzug der
Londoner U-Bahn etwas Vertrauliches zuflüstert. »Das ist nicht ganz die
Wahrheit. Die Insel hat einen Namen. Wikingerinsel.
Aber das darf vorerst niemand wissen.«
    »Liebe Güte.« Appleby hatte sich von dem Ausdruck anstekken lassen.
»Darf ich fragen, ob die geographische Lage ähnlich geheimnisumwittert ist?
Manchmal kommt es mir vor, als sähe ich im Westen Land.«
    »Ah. Einige von den Inseln benehmen sich seltsam. Ich denke
bisweilen, sie müssen wie die Insel des Alkinoos in der Odyssee sein. Sie kennen sich mit den alten Griechen aus?«
    »Ja. Ich dachte, ich hätte im Westen Land gesehen.«
    »Nur die nächste Insel. Wahrscheinlich die, von der die Eingeborenen
kommen. Es ist eine recht weitläufige Gruppe. Aber das erste echte Land , auf das Sie im Westen stoßen würden, wäre Australien.
Und im Osten – und etwa gleich weit entfernt – käme man an die Landenge von
Panama. Unsere Lage, das kann man sagen, ist zentral.« Hailstone lachte – bedächtig, ohne jede Heftigkeit, wie ein Patient mit einer Operationsnarbe im
Bauch. Sein Blick ging hinaus aufs Meer. »Ah, da kommen sie.«
    Das Pochen eines Motors wehte leise aus der Ferne herüber, und mit
ihm kamen einzelne Töne, dann Fetzen, schließlich das Jaulen von Musik.
Wieder spürte Appleby, wie das Unpassende zusammenkam. In den Lauten konnte er
nun Trommeln ausmachen – nicht viel anders als die, die sie in der Nacht zuvor in
den Bann geschlagen hatten. Doch durch die Trommeln hörte er das Schluchzen und
Stöhnen fremdartiger Holzbläser und Trompeten. Über das glitzernde Wasser,
vorbei an Korallen, dem Spiegelbild einer Palme, kam aus der Ferne ein
Tanzvergnügen, gepackt in die magischen Rillen einer Schallplatte, einer oft
gespielten Schallplatte, die ganz zu recht trällerte, daß sie auch nicht mehr
die Jüngste war. Von tausend Meilen Reise kündete der Gesang, vom Hut, der, am
Ufer angekommen, am Nagel hängen sollte.
    … on the Bam-bam-bammy shore.
    And I ain’t so young any more …
    Und plötzlich war die ganze Bucht erfüllt von diesem Gesang,
denn um die Rundung des äußeren Riffes bog schneidig eine große weiße Barkasse.
Ein Grüppchen Leute war darauf, in Tropenhelm, Sonnenbrille, knappen
Badeanzügen und smartem Stranddress.
    »Das Hotel, wissen Sie«, erklärte Hailstone, beinahe mit etwas wie
Hast. »Sie haben aus Ihrer Rettung einen kleinen Ausflug gemacht – Angeln und
so weiter. Sicher auch neugierig. Nicht gerade guter Geschmack; aber was soll
man machen?«
    Das Boot ging in die Kurve, frisch geschrubbter Lack, poliertes
Messing glänzten, und dann machte es noch einmal eine Biegung, als wolle es mit
dem Rhythmus der Tanzmusik mithalten. Am Ruder stand eine unbestimmbare, doch
eindrucksvolle Figur – Appleby konnte sich auf den Bart und den langen Rock
keinen Reim machen; sie rief ein Kommando, die Maschine wurde gedrosselt und
stand still; Badeanzüge und Stranddress richteten sich auf, reckten sich,
lehnten sich vor, setzten sich wieder, als wollten sie das Bild mit einer
gemächlich fließenden Sinnlichkeit beleben; am Bug erschien ein tüchtig
wirkender Seemann mit einem Bootshaken; die Musik schwoll zu einem letzten,
schrillen Ansturm auf die Sinne an, dann war es plötzlich still, und lautlos
glitt das Boot mit seiner Belegschaft in die innere Lagune. Nun konnte Appleby
lesen, was in goldenen Lettern längsseits stand:
    HEAVENS HOTEL EREMITAGE.

Kapitel 10
    »Ist alles so aus der Mode wie ihre Tanzmusik?« fragte Appleby.
    Hailstone schüttelte den Kopf. »Das Hotel legt großen Wert darauf, daß
es allen confort moderne bietet. Aber Mrs.   Heaven – das ist die Frau am Ruder – ist eine Art Künstlerin. Sie bewahrt das
Etablissement, so gut es geht, im Stil der späten Zwanziger. In den Dreißigern
würde sie sich, nehme ich an, dem Abgrund schon zu nahe fühlen … George, benimm
dich.«
    Kaum merklich, in kleinen Schritten, ging George rückwärts, vom
Wasser fort, als ob er sich nicht an einer See, die Mrs.   Heavens Boot trug,

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