Applebys Arche
solche
Sachen auf. Ich ermittle gerade in einem Mordfall, der sich erst gestern hier
am Strand ereignet hat.« Damit hatte Appleby Mrs. Heavens forscher Art die
Spitze abgebrochen und blickte lässig in die Runde. »Wer weiß, vielleicht
amüsiert man sich nur auf Ihrer Seite der Insel. Ah, da kommen meine Freunde.
Zwei Frauen und zwei Männer. Können Sie uns im Hotel noch unterbringen?«
»Werden wir schon hinkriegen.« Mrs. Heaven nickte energisch – sie
war, ging es Appleby durch den Kopf, womöglich das einzige energische Wesen auf
der ganzen Insel. »Und wenn Sie sich nicht amüsieren wollen – gezwungen wird
bei uns keiner.« Sie betrachtete zuerst Miss Busst, dann Mr. Rumsby mit einem
ausgesprochen boshaften Blick. »Könnte mir vorstellen, daß ein guter Mord für
jemanden wie Sie unterhaltsamer ist. Freut sich, daß Sie einen gefunden haben.
Den hätten wir im Hotel nicht im Angebot gehabt.« Und schon stob Mrs. Heaven
mit langen Schritten davon, um Applebys Gefährten zu begrüßen.
Es war alles in höchstem Maße kurios; minutenlang herrschten
Durcheinander, Wortschwall, Überraschung, Hailstone und George suchten das
Weite, und Appleby ging ein paar Schritte zurück, damit er die Szene besser
überblicken konnte … Kurios, das stand fest; gestern noch eine einsame Insel,
heute prächtiges Amüsieren für sicher nicht weniger als zehn Guineen die Woche;
gestern Mord und nichts als die weite See, heute ein Netz voller
merkwürdiger Fische. Gestern die bedrückende Aussicht auf ein Tête-à-tête in
alle Ewigkeit, heute ein ganzes Boot voller in die Jahre gekommener goldbrauner
Dianas und die Aussicht, von Sir Mervyn Poulish geistlichen Beistand zu
bekommen. Obwohl diese Aufgabe nun zweifellos an Hoppo übergehen würde … Appleby drehte den anderen den Rücken zu und ging weiter; ging, bis sie nur
noch ein Fleck aus Farbe und willkürlichen Bewegungen vor der Leere von Strand
und See und dem Horizont der Tropen waren. Das war der Maßstab, den er
brauchte. Er ging, bis er an Unumunus Grab kam, genau der richtige Vordergrund
für sein Bild. Damit hatte er alles vor sich, was er zu bedenken hatte; nur die
flüchtigen Eingeborenen fehlten. Die Strandanzug-Delegation von Heavens
Hotel Eremitage; die Übriggebliebenen aus der Sonnendeckbar; die Spuren eines
in der Ferne davonstapfenden Archäologen und seines prachtvollen Hunds: dies
und ein Sandhügel. Das war seine Aufgabe, und er mußte – was noch nie
vorgekommen war – sich zwingen, daß er sie in Angriff nahm. Denn sie war
belanglos, provinziell, sie bedeutete nur an diesem gottverlassenen Ende der
Welt etwas, an das Hoppos Wal sie geschleudert hatte. Hoppos Wale waren in
allen Weltmeeren, vor allen Küsten, in allen Kanälen. Die Bomber flogen über
Europa und Asien, ihre Schatten fielen auf die Kirchtürme Englands, die
Minarette Arabiens, die Stufenpagoden Ostasiens. In Paris waren die Lichter
ausgegangen; in Pittsburgh leuchteten sie an tausend Werkbänken, an denen
Anlauf zur größten Schlacht genommen wurde, die die Menschheit je gefochten
hatte; in Sydney, in Ankara, in Tokio wartete die Hand schon am Schalter. Es
war Irrsinn – aber es war etwas Großes, Bedeutendes, eine weltweite Tragödie,
zu der jeder Bewohner des Planeten moralische Stellung beziehen mußte, ein
großer Kampf, der jeden ungebundenen jungen Mann lockte, weil es nun einmal
seine Natur war … Hier hingegen gab es nur den Tod von Sir Ponto Unumunu und
die seltsame Würde eines hochkultivierten Hunds.
Mit langsamen Schritten ging er zurück. Die Jeunesse dorée badete
vom Boot aus; zwei muntere Damen spielten am Strand Fangen mit einem stämmigen
Herrn, dessen Bauch dabei unschön schwappte. Merkwürdig, dachte Appleby, daß
Edward Lear ein so unviktorianisches Leben schon zu viktorianischen Zeiten
vorausgeahnt hatte. Aber tatsächlich:
Es war mal ein Mann aus Korfu,
Der niemals wußt’ was er tu’,
Und so lief er durchs Land
Bis die Sonn’ ihn verbrannt,
Der ratlose Mann aus Korfu …
Zeilen, die alles beschrieben, wofür das Hotel Eremitage stand … Und mit einem Male erwärmte sich Applebys Herz für die Gefährten seiner
Abenteuer. Sie waren nicht wie diese Leute. Diana, für die der Alptraum dieser
Reise eine Aufgabe war; Miss Curricle, die bereit gewesen war, als neue Eva den
Weg der Menschheit von vorn zu beginnen; Glover, der auch unter solchen
Umständen fand, daß man eine Proklamation verlesen sollte; und selbst der alte
Hoppo, der
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