Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
Vom Netzwerk:
nun, so hoffnungslos das war, an der ihnen zugewandten Seite. »Ich
sage es oft: Wir sollten uns alle ein Beispiel an George nehmen.«
    »Könnten Sie es nicht sprengen?« fragte Diana.
    »Vorstellbar wäre es.« Hailstone schien ein wenig schockiert von der
Frage. »Aber leider haben wir keinerlei Sprengstoffe. Und es wäre nicht
abzusehen, welchen Schaden feine und zerbrechliche Stücke im Inneren nähmen.
Möchten Sie hinaufsteigen? Auf der anderen Seite gibt es einen Weg.«
    Sie überließen George seinen vergeblichen Mühen und erklommen den
Hügel. Das Grab, erkannte Appleby, lag unmittelbar am Strand; die Wellen des
Ozeans reichten bis fast an das Fundament heran. Das war jedoch nicht das
Bemerkenswerteste, was es dort oben zu sehen gab. Denn mitten auf dem sandigen
Plateau, auf das sie gekommen waren, vor sich etwas, das aussah wie eine
Flasche Champagner, saß ihr Hotelier. Himmelwärts waren sie gestiegen, und oben
angekommen fanden sie den himmlischen Heaven. Aber wenn es hier eine
Himmelskrone zu erringen gab, so hatte Heaven offenbar alle Absicht, sie sich
aufs eigene Haupt zu setzen. Neben ihm im Sand lag ein stattlicher Spaten.
    Er erhob sich, als sie sich näherten, und Appleby studierte ihn
aufmerksamer als zuvor. Er reckte unruhig den Hals, und ein ebenso unruhiges
Zucken zeigte sich in seinen Gesichtszügen – ein Mondgesicht, das auf seinem
hageren Leib saß wie ein Polyp, der auf einem spinnenartigen Geschöpf der
Tiefsee hängengeblieben ist. Und als er ihnen nun entgegenkam, war sein Weg
begleitet von kleinen, halb verschluckten unwillkürlichen Lauten – ein
seltsames Muhen wie von Rindern auf weit entfernten Weiden, ein Donner in unendlicher
Ferne, Schwalben in den gewaltigen Schornsteinen eines alten Hauses. So kam er
auf sie zu, die Augen zusammengekniffen, weil er in die Sonne blickte – arrogant, unsympathisch, vielleicht hochintelligent. Mit diamantenfunkelnder
Hand nahm er zackig den Tropenhelm ab – und weit fort auf unsichtbaren Wiesen
hoben Kühe ihre Häupter und brüllten in den Wind; er verneigte sich vor Diana
und richtete dann das Wort an die Neuankömmlinge. »Ein wunderbarer Hügel, um
ein wenig die frische Luft zu genießen. Mrs.   Kittery, meine Herren – ein Glas
Wein?« Hoch oben im brüchigen Gemäuer fiepten und flatterten die Schwalben.
    Dunchue setzte den Picknickkorb wieder ab – doch diesmal eher, als
wolle er die Hände für eine Prügelei freihaben. Hailstone pflanzte seinen
Sonnenschirm wie eine Standarte in den Sand. George, der ihnen nachgekommen
war, knurrte, noch außer Atem vom Buddeln, ein neues Knurren – beunruhigend,
wie sehr es nach Kühen klang, die muhten hinter dem fernen Horizont. Und einen
Moment lang schwand Heavens Selbstvertrauen; in seinen Zügen zuckte ein
unsicheres Lächeln, sein Kopf hüpfte auf den Schultern, mit der freien Hand
machte er unverständliche Gesten vor der Brust. Und dann drang wie der Blitz
eines Unwetters ein hämisches Meckern durch das ferne Donnergrollen; er kniff
die Augen noch fester zusammen, und ein gefährliches Funkeln kündete von einem
geheimen Quell an Bosheit und Macht. Er lachte sie aus. Und dann ging er zu
seinem eisgefüllten Kasten und nahm die Flasche Champagner heraus. »Trinken Sie
ein Glas Wein mit mir?« fragte er noch einmal – und stand treuherzig, ein wenig
zuckend, da.
    »Danke, wir haben unseren eigenen Proviant.« Hailstone sagte es in
seinem üblichen nachsichtigen Ton. Aber er hielt sich sehr aufrecht unter dem
Sonnenschirm – entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, dachte Appleby –, und es war eine Pose, die nicht ganz überzeugend wirkte. Denn im Grunde war
Hailstone kein aufrechter, willensstarker Mensch; bei aller Tüchtigkeit, mit
der sein Bungalow eingerichtet war, war seine Trägheit echt – das oder die
Folge eines weichen, biegsamen, ausweichenden Zugs in seiner Natur. Parendo vincitur , dachte Appleby. Und er mußte wieder an
die erste Begegnung an Unumunus Strand zurückdenken, wo das Uneindeutige das
erste gewesen war, was ihm an Hailstone aufgefallen war. Aber zumindest hatte
der Mann den Willen, jetzt eine andere Figur zu machen; er stellte sich dieser
seltsamen Gestalt aus dem Hotel entgegen, und das mit der Beherztheit eines
Colonel Glover.
    »Mr.   Heaven«, sagte Hailstone, »darf ich fragen, was Sie auf diesem
Tumulus mit einem Spaten tun?«
    »Tumulus?« Heaven zog den Hals ein und senkte den Kopf; es war die
instinktive Bewegung einer Kuh, die zum

Weitere Kostenlose Bücher