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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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aussucht und das das dicke Trinkgeld bekommt. Bei mir schlägt er sich nur in Hitze, um Hanna oder eine der anderen rammeln zu können.«
    Elsie wollte noch mehr erzählen, doch da hob von Palkow die Hand. »Wir reden morgen weiter. Vergiss aber nicht, dass du in meiner Hand bist. Brauche nur ein Wort zu sagen, dann holen dich die Schutzleute ab. Hast du verstanden?«
    Elsie nickte, obwohl sie im Grunde nichts begriff.
    »Dann ist es gut. Bis morgen also!« Der Major nahm Uniformjacke und Säbel an sich und verließ das Zimmer.
    Im Salon bezahlte er für die Stunde, die er mit Elsie verbracht hatte, und zählte Hede ein Zehnmarkstück als Trinkgeld für Elsie auf die Hand. »Komme morgen wieder und will die gleiche Hure haben!«
    Hede strich das Geld ein und dachte sich, dass von Palkow noch perverser sein musste als die meisten anderen Kunden, die von den Mädchen einen besonderen Service verlangten. Ihr konnte es gleichgültig sein. Außerdem war es besser, wenn Elsie beschäftigt wurde und keine Dummheiten anstellen konnte.
    Der Major schritt zufrieden davon. An diesem Abend hatte er den Schlüssel dazu in die Hand bekommen, sein Schicksal tatsächlich zum Besseren wenden zu können.

I.
    L ore starrte in die riesige Halle des Anhalter Bahnhofs und konnte nicht begreifen, weshalb so viele mit der Eisenbahn verreisen wollten. Ihr war dieser Ort nicht geheuer. Die Dampflokomotiven zischten und stampften so laut, dass die Menschen schreien mussten, um sich zu verständigen, und in diesen Lärm mischte sich das Klappern der Wagen, mit denen das Gepäck der bessergestellten Reisenden zu den Waggons geschafft wurde. Alle Augenblicke fuhr ein Eisenbahnzug in den Bahnhof ein oder verließ ihn.
    Lore konnte sich nicht vorstellen, wie man sich hier zurechtfinden sollte. Schließlich wandte sie sich an einen Bahnbeamten, der mit gewichtiger Miene des Weges kam. »Entschuldigen Sie, aber wo finde ich den Zug aus Halle?«
    Dort, so hatte Lore Nathalias Brief entnommen, würde Baroness von Retzmann das letzte Mal umsteigen.
    Der Bahnbeamte ordnete sie wegen ihres modischen Kleides als Dame von Adel oder des reicheren Bürgertums ein. Daher antwortete er freundlicher, als er es bei einer schlichteren Frauensperson getan hätte. »Der Zug aus Halle fährt auf Gleis sechs ein, gnädige Frau. Aber das wird erst in einer Viertelstunde sein.«
    »Danke! Da bin ich doch noch früh genug gekommen!« Lore winkte Jutta, ihr zu folgen, und fand schließlich den richtigen Bahnsteig. Vorsichtig ließ sie sich auf einer der hölzernen Bänke nieder. »Willst du dich nicht auch setzen, Jutta?«, fragte sie.
    »Aber gnädige Frau, es gehört sich nicht, dass ich mich zu Ihnen setze!« Auch wenn Lore sie inzwischen mehr wie eine Freundin behandelte denn wie eine Angestellte, so wollte Jutta daraus keine Forderungen ableiten, die sich in ihren Augen nicht gehörten.
    »Du könntest mir einen Becher Limonade besorgen«, bat Lore sie und reichte ihr ihre Geldbörse. Im selben Augenblick rempelte jemand Jutta an, griff nach dem Beutel und bekam ihn zu fassen. Als er damit verschwinden wollte, sah er sich jedoch einem Hauptmann der Artillerie gegenüber. Dieser hielt ihn fest und wand ihm die Börse aus der Hand. Gleichzeitig rief er nach einem Schutzmann, der sogleich eilends heranstürmte und vor dem Offizier salutierte. »Herr Hauptmann befehlen?«
    »Verhaften Sie diesen Kerl! Er wollte diese Dame bestehlen. Konnte es zum Glück verhindern.« Die Stimme des Offiziers klang schnarrend und von oben herab. Ohne eine weitere Frage zu stellen, packte der Schutzmann den Dieb und stieß ihn den Bahnsteig entlang.
    Der Offizier verbeugte sich vor Lore. »Sie sollten das nächste Mal vorsichtiger sein, gnädige Frau. In Berlin gibt es viel Gesindel, das von Diebereien und Schlimmerem lebt. Daher wird es wohl besser sein, wenn ich Ihnen die Limonade besorge.«
    »Sie sind ein Tollkopf, Herr Hilgemann!«, sagte Lore so leise, dass nur der Student sie hören konnte.
    Dieser strich grinsend über seinen Uniformrock. »Kleider machen Leute, sagt man, und für Preußen habe ich genau das richtige Gewand an.«
    Er deutete einen militärischen Gruß an und ging. Lore sah ihm nach und steckte den Geldbeutel wieder in die Handtasche, die sie nun mit beiden Händen festhielt. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie so leichtsinnig gewesen war.
    »Ich glaube, da fährt der Zug ein!« Juttas Ausruf riss Lore aus ihren Gedanken. Tatsächlich näherte sich die schnaufende

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