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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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Begleiterinnen zulenkte: »Jnädige Frau wünschen nach Hause jebracht zu werden?«, fragte er in dem Bemühen, nicht zu sehr Dialekt zu sprechen.
    Lore nickte. »Das wünsche ich. Kommt, steigt ein! Legt die Koffer auf den Vordersitz. Dort kann Jutta sie festhalten.«
    Das Dienstmädchen wartete, bis Lore und Nathalia eingestiegen waren, dann schlüpfte sie hinter ihnen her und nahm die Gepäckstücke entgegen, die ihr der Dienstmann zureichte. Lore gab diesem ein Trinkgeld und forderte den Droschkenkutscher auf, loszufahren. Als sie einen Blick zurückwarf, sah sie, dass ihnen Gregor Hilgemann in einem weiteren Wagen folgte. Seine neue Verkleidung war ein kluger Schachzug, denn als angeblicher Offizier vermochte er mit einer ganz anderen Autorität aufzutreten denn als verkleideter Lakai.

II.
    W ährend die Droschke vom Potsdamer Platz in die Königgrätzer Straße einbog und schließlich an der Siegessäule vorbeifuhr, sah Nathalia sich mit leuchtenden Augen um. Begeistert zeigte sie auf einen entgegenkommenden Pferdeomnibus. »Damit will ich auch einmal fahren – und auch mit der neuen elektrischen Trambahn in Lichterfelde. Außerdem möchte ich in einen Biergarten gehen und Berliner Weiße mit Schuss trinken. Ich …« Nathalia äußerte in der folgenden halben Stunde so viele Vorschläge und Wünsche, dass sie für deren Erfüllung ein ganzes Jahr in Berlin hätte bleiben müssen.
    Lore ließ sie reden, weil sie das, was ihr auf der Zunge lag, nicht vor den Ohren des Droschkenkutschers äußern wollte. Zu Hause angekommen aber nahm sie sich das unternehmungslustige Fräulein zur Brust. »Jetzt noch einmal zu dir. Du bist also wirklich die ganze Strecke von Lausanne bis hierher allein gefahren!«
    Auf Nathalias Gesicht machte sich ein Grinsen breit. »Das war doch gar nicht so schwer. Die Bahnbeamten waren sehr nett und haben mir geholfen.«
    »Normalerweise bringen sie ein Mädchen deines Alters, das allein reist, zur Polizei«, antwortete Lore streng.
    Nathalias Grinsen verstärkte sich. »Ich hatte doch eine Bescheinigung meiner Direktorin bei mir, auf der stand, dass meine Zofe kurz vor der Abfahrt erkrankt sei und mich nicht begleiten könne. Hier, schau!« Das Mädchen zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus einer Tasche und reichte es Lore.
    Diese schlug es auf und sah oben den Briefkopf der Höheren Töchterschule und darunter fein säuberlich mit der Hand geschrieben den genannten Text. Am Ende anempfahl die Direktorin Komtess Nathalia der ausdrücklichen Fürsorge der Bahnbeamten.
    »Gut, nicht wahr? Habe ich selbst geschrieben«, erklärte Nathalia, als Lore ihr das Blatt zurückreichte.
    Dieser fehlten für einen Moment die Worte. »Aber wie konntest du unterwegs einkaufen?«, fragte sie schließlich.
    Nathalia kicherte. »Ich habe einfach gesagt, die Zofe hätte vergessen, mein Gepäck einzuladen. Daher wurde mir unterwegs zweimal ein Beamter zugeteilt, der mich zu den Kaufhäusern bringen und meine Einkäufe tragen musste.«
    »Woher hattest du so viel Geld?«
    »Als ich nach den Weihnachtsferien wieder in die Schweiz musste, haben mir Onkel Thomas, Tante Dorothea und auch du Geld zugesteckt. Da wir in der Schule nichts kaufen durften, habe ich es jetzt erst ausgeben können.«
    Nathalia sah aus, als wolle sie tatsächlich Lob für ihre Schelmereien einheimsen, doch Lore dachte mit Schrecken daran, was dem Mädchen unterwegs alles hätte passieren können. Um nicht gleich den ersten Tag mit einer Missstimmung zu beginnen, verschob sie die geplante Gardinenpredigt auf später und befahl Jutta, eine Erfrischung zu bringen.
    Während das Dienstmädchen das Zimmer verließ, musterte Lore ihre junge Freundin. Nathalia zählte zwar schon zwölf Jahre, war aber für ihr Alter noch recht zierlich. Dunkelblonde Locken lugten unter ihrem Strohhut hervor, und an dem dreieckigen Katzengesicht ließ sich noch nicht erkennen, ob sie einmal eine Schönheit werden oder nur durchschnittlich aussehen würde. Eines aber war Lore klar: Das Wort Angst kannte Nathalia nicht. Und was Disziplin bedeutete, schien sie in der Schweiz ganz und gar verlernt zu haben.
    Es würde viel Fingerspitzengefühl erfordern, ihr beizubringen, was sie sich in ihrer Situation leisten konnte und was nicht. Dies war gewiss einfacher, wenn sich einige der Wünsche, die Nathalia mit ihrem Aufenthalt in Berlin verband, erfüllen würden. Daher stellte Lore einen Plan für den nächsten Tag zusammen und stellte erstaunt fest, dass

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