Aprilgewitter
sondern nahm ihr die Waffe ab und befahl dem Amtsdiener, sie zum Ausgang zu begleiten. »Ich bedauere, Frau von Trettin, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Die Umstände sprechen nun einmal gegen Ihren Mann!«
»Glauben Sie wirklich, mein Mann würde einen Mord begehen und sich danach einfach wieder schlafen legen, und das, ohne die Waffe beseitigt zu haben?«, rief Lore aus.
Von Bucher sah sie mit einem überheblichen Blick an. »Betrunken tun Männer viel, was sie nüchtern niemals tun würden. Und nun auf Wiedersehen, Frau von Trettin. Ich habe noch einen Termin!«
Mit dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, stand Lore auf und ging zur Tür. Dort wandte sie sich noch einmal um. »Ich werde Ihnen den Beweis für die Unschuld meines Mannes liefern. Das bin ich ihm als seine Ehefrau schuldig.«
»Auch wenn er Sie für eine andere verlassen will?«, fragte von Bucher spöttisch.
»Gerade deshalb!«
Lore dachte sich, dass es leicht wäre, jetzt die Hände in den Schoß zu legen und zu warten, bis alles vorbei war. Doch Warten war nie ihre Stärke gewesen.
III.
W ährend Lore wütend nach Hause fuhr, empfing Major von Palkow seine Geliebte Malwine in seinen Räumen in der Kadettenschule. Obwohl sie in ihrem Liebesnest in der Potsdamer Straße vertrauter miteinander umgingen als die meisten bürgerlichen Paare, traten sie in der Öffentlichkeit als die Mutter eines Kadetten und dessen Ausbilder auf, die persönlich nichts miteinander zu tun hatten.
»Seien Sie mir willkommen, Frau von Trettin. Sie wollen gewiss nach Ihrem Sohn sehen«, grüßte von Palkow und konnte es kaum erwarten, Malwine zu berichten, dass sein Streich gegen Fridolin gelungen war.
»Später, Herr Major! Zunächst will ich mit Ihnen über seine weitere Ausbildung sprechen. Mein Verwandter Fridolin von Trettin, der leider Gottes der Vormund meines armen Jungen ist, will ihn zur Artillerie stecken. Dabei haben die Trettins immer nur in einem Gardekavallerieregiment gedient.«
Für jeden unbeteiligten Zuschauer bot Malwine das Bild einer empörten Mutter, die ihre eigene Meinung und die Familientradition nicht richtig gewürdigt sah.
Von Palkow bewunderte sie für diesen Auftritt. »Ich ehre Ihre Haltung, Madame. Sie ist der Mutter eines preußischen Offiziersanwärters würdig. Leider muss ich Ihnen eine unangenehme Mitteilung machen. Ihr Verwandter Fridolin von Trettin wurde gestern Nacht des Mordes beschuldigt und festgenommen. Er ist daher nicht mehr in der Lage, seine Pflichten als Vormund Ihres Sohnes wahrzunehmen.«
Malwines Augen leuchteten auf, und für einige Augenblicke kostete es sie schier unmenschliche Kraft, ihre Freude nicht laut hinauszuschreien.
Als sie sich halbwegs beruhigt hatte, blickte sie von Palkow scheinbar entgeistert an. »Ihre Nachricht schockiert mich! Doch um meines Sohnes willen bin ich erleichtert. Jetzt kann er in die Fußstapfen all jener Trettins treten, die vor ihm im kurfürstlichen und königlichen Heer von Preußen gedient haben.«
»Es sind bald Ferien, Madame. Soll Ihr Sohn nach Trettin zurückkehren, um dort seine Fähigkeiten als Reiter zu verbessern? Allerdings könnte er diese Wochen auch zusammen mit anderen Kadetten auf einem heereseigenen Gestüt verbringen.«
Malwine überlegte nur kurz. »Mir wäre es lieb, wenn Wenzel diese Möglichkeit erhielte. Im Kreise seiner Kameraden entwickelt er gewiss mehr Ehrgeiz als auf Trettin. Doch nun bitte ich Sie, mir die näheren Umstände mitzuteilen, die zur Verhaftung meines Verwandten geführt haben.«
Obwohl es ihn drängte, die Neugier seiner Geliebten zu befriedigen, beschränkte von Palkow sich auf die Fakten, wie er sie von jemandem erfahren haben konnte, der im
Le Plaisir
Zeuge der Angelegenheit gewesen war. Die genaueren Umstände würde er ihr später in ihrem Liebesnest unterbreiten. In der Kadettenanstalt war die Gefahr zu groß, dass jemand ins Zimmer kam und verfängliche Worte aufschnappte.
Malwine hätte sich am liebsten die Hände gerieben. Endlich war der verhasste Vetter ihres Mannes dort, wo sie ihn schon immer hin gewünscht hatte, und Lore würde als Weib eines Mörders in den besseren Kreisen zur Persona non grata werden.
»Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme, Herr Major«, sagte sie, als von Palkow seinen Bericht beendet hatte. »Sie werden sicher verstehen, dass ich zu erschüttert bin, um jetzt noch mit meinem Sohn sprechen zu können. Richten Sie ihm meine Grüße aus und sagen Sie ihm, ich erwarte nach den
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