Aprilgewitter
hatte, dass sie nicht bemerkt hatte, auf welchen Pfaden Fridolin wandelte.
»Es war nicht so, wie Sie denken«, beeilte Hede sich ihr zu versichern. »Herr von Trettin ist ein alter Bekannter von mir und hat mir früher oft geholfen. In der letzten Zeit ist er immer nur als Begleiter von Herrn Grünfelder ins
Le Plaisir
gekommen, da dieser nicht allein gehen wollte.«
»Eine sehr bequeme Ausrede, um seinen niedrigsten Gelüsten folgen zu können«, antwortete Lore mit bitterem Spott.
»Das hat er wirklich nicht getan!«, rief Hede verzweifelt aus. »Fridolin ist niemals einem der Mädchen ins Separee gefolgt. Er hat immer nur in meinem Büro gesessen, ein Glas Wein getrunken und sich mit mir über alte Zeiten unterhalten.«
»Und das soll ich Ihnen glauben? Ich habe es anders zugetragen bekommen!«
»Wer das auch immer erzählt hat, wollte Ihren Mann schlechtmachen! Ich schwöre Ihnen bei meiner unsterblichen Seele, dass Fridolin nichts mit den Mädchen aus meinem Bordell angefangen hat. Wer auch immer das Gegenteil behauptet, lügt!«
Hedes verzweifelter Appell blieb nicht ohne Wirkung auf Lore. Diese kannte Elsie gut genug, um zu wissen, dass sie ihr nichts glauben durfte. Trotzdem konnte sie die verräterischen Parfümspuren und das blonde Haar an seinem Revers nicht einfach ignorieren.
»Und was ist mit Ihnen? Haben Sie mit meinem Mann geschlafen?«
Hede verfärbte sich leicht. Nichts war schlimmer als eine eifersüchtige Frau, das wusste sie. Wenn Lore der Zorn packte, würde sie eher zusehen, wie ihr Mann zugrunde ging, als etwas für ihn zu tun. Dennoch musste sie möglichst nah an der Wahrheit bleiben.
»Ja, ich war mit Fridolin im Bett, damals, als er noch in Berlin gelebt hat. Ich sagte doch, dass er mir mehrfach geholfen hat. Da er von mir kein Geld annehmen wollte, war es die einzige Möglichkeit für mich, ihm zu danken.«
»Und jetzt?« Diese Frage hatte Hede gefürchtet. Und doch wusste sie, dass das, was zwischen ihr und Fridolin wirklich geschehen war, unter dem Siegel der Verschwiegenheit gehalten werden musste.
»Ich sagte doch, dass ich mich mit ihm nur unterhalten und ihn ein paarmal getröstet habe, weil er so verzweifelt war. Er ist ein guter Mann, gnädige Frau, und er liebt Sie. Deshalb hat es ihn ja auch so bedrückt, dass die Berliner Gesellschaft Sie geschnitten hat.« Jetzt gilt es, dachte Hede. Entweder weist sie mich aus dem Haus, oder sie tut etwas für ihren Mann.
Lore saß eine Weile starr wie eine Statue da. Doch in ihrem Inneren arbeitete es. Das, was ihre Besucherin ihr erzählte, konnte stimmen oder auch nicht, aber letztlich war das nun zweitrangig. Wichtig allein war die Frage, weshalb Fridolin des Mordes bezichtigt wurde.
»Erzählen Sie mir bitte in allen Einzelheiten, was geschehen ist, Frau Pfefferkorn. Ich halte Fridolin nicht für einen Mann, der ohne Not zwei Menschen erschießt!«
Hede atmete auf. »Fridolins Regimentskameraden hatten darauf gedrängt, ins
Le Plaisir
zu gehen, und da konnte er sich schlecht ausklinken. Wir sind zu zweit in mein Büro gegangen und haben Wein getrunken. Obwohl es nicht viel war, wurden wir seltsamerweise so müde, dass wir auf den Stühlen eingeschlafen sind. Ich bin aufgewacht, als eines meiner Mädchen die Toten entdeckt und fürchterlich geschrien hat. Aber Fridolin hat weitergeschlafen und ist erst durch Staatsanwalt von Bucher geweckt worden.«
»Wieso ist mein Mann überhaupt in Verdacht geraten?«
»Als er aufstand, ist die Pistole, aus der angeblich geschossen worden war, aus seiner Uniformjacke gefallen. Jemand muss sie aus seiner Tasche geholt und nach der Tat wieder hineingesteckt haben. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.« Hede wusste selbst, dass das wenig überzeugend klang.
Deshalb schüttelte Lore auch den Kopf. »Fridolin müsste schon schwer betrunken gewesen sein, um das nicht bemerkt zu haben.«
»Oder betäubt! Ich sagte doch, dass wir höchstens zwei oder drei Gläser Wein getrunken haben und trotzdem eingeschlafen sind. Das ist mir in all den Jahren, in denen ich das
Le Plaisir
führe, noch nie passiert! Das Ganze ist eine gemeine Intrige, um Fridolin um seine Ehre und seine Freiheit zu bringen, und ich habe auch schon einen Verdacht, wer dahinterstecken könnte.«
Für Hede passten jetzt mehrere Puzzleteile zusammen, die sie vorher noch nicht beachtet hatte. »Es können nur von Trepkow oder von Campe gewesen sein. Beide sind hinter Fräulein Grünfelder her. Da diese jedoch eine Vorliebe
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