Aprilgewitter
Recherchen betrieben und war mir schon dicht auf den Pelz gerückt. Zum Glück ist es mir gelungen, seine privaten Aufzeichnungen an mich zu bringen.«
»Sind Sie vielleicht so, wie Sie jetzt aussehen, in die russische Botschaft gegangen und haben sie aus seinem Arbeitszimmer geholt?«
»Oh non!
So würden nur Deutsche vorgehen. Ein Franzose hingegen weiß sofort, dass ein Mann wie Tirassow diese Unterlagen an keinem Ort deponieren würde, an dem andere sie finden könnten. Er hatte sie selbstverständlich bei sich, als er erschossen wurde.«
Jetzt schnaufte von Palkow vor Verblüffung. »Das ist ja entsetzlich!«
Delaroux hob beschwichtigend die Hand. »Beruhigen Sie sich. Glücklicherweise war der Assistent des vom Staatsanwalt beauftragten Pathologen erkrankt, und ich konnte dessen Stelle einnehmen. Es war kinderleicht, die Blätter zu entwenden, da der Doktor nur Augen für den Toten hatte und nicht für den Inhalt der Brieftasche.«
Bei dem Gedanken an seinen gelungenen Streich begann der französische Agent zu lachen. Gleichzeitig füllte er zwei Gläser, um mit von Palkow anzustoßen. »Auf unseren Erfolg!«
Der Major war zu erschrocken, um antworten zu können. Delaroux ist ein Teufel, dachte er, und ich habe mich ihm verschrieben. Im nächsten Moment kam ihm die Belohnung in den Sinn, die er für seine Mithilfe an dem Attentat auf Prinz Wilhelm erwarten durfte, und das Geld, das er Elsie versprochen hatte.
»Ich benötige umgehend eine gewisse Summe, um die Hure zufriedenzustellen, die Tirassow getötet hat!«
»Sie wollen ihr Geld geben? Ich dachte, ein nächtlicher Spaziergang an der Spree würde diese Angelegenheit ohne Aufwand bereinigen.
Oh non
, keine Sorge! Sie erhalten diese Summe und Ihre eigene Belohnung. Letztere aber erst, wenn es pfff gemacht und Seine Königliche Hoheit, Prinz Wilhelm, sich samt seinem Papa und diesem Bismarck zu seinen Ahnen begeben hat.«
Delaroux amüsierte sich insgeheim über die erschrockene Miene von Palkow, der stets jenen Frauen hörig geworden war, die sich mit ihm eingelassen hatten. Allerdings hatte er sie bald mit dem Wunsch vertrieben, dieses Verhältnis umzukehren und sie wie eine Sklavin zu behandeln. Nun befand er sich anscheinend in den Krallen einer gierigen Hure. Doch solange der Major sich von ihm als Werkzeug benutzen ließ, konnte ihm dies gleichgültig sein.
»Ich hoffe, Sie nehmen mir diesen kleinen Scherz mit dem Spaziergang an der Spree nicht übel. Kein Franzose würde eine Frau, die ihm geholfen hat, auf eine so üble Weise belohnen. Geben Sie ihr genug Geld und den Rat, dieses Land und am besten auch Europa schnellstens zu verlassen«, fuhr Delaroux fort.
Von Palkows eingefrorene Gesichtszüge tauten bei diesen Worten wieder auf. »Das ist auch Elsies Wunsch. Ich habe ihr versprochen, ihr dabei zu helfen.«
»Lassen Sie sich aber nicht mit ihr zusammen in der Öffentlichkeit sehen, sondern geben Sie ihr das Geld und die Fahrkarte nach Hamburg unauffällig im Bordell. Dort lasse ich ein Ticket für ein – sagen wir in vier Tagen in Richtung Amerika auslaufendes Dampfschiff für sie deponieren.«
Von Palkow wedelte mit der Hand. »Besser in acht Tagen! Ich habe Elsie noch etwas versprochen, das vorher erledigt werden muss.«
»Das war töricht, mein Freund! Sie sollten zusehen, dass die Frau so rasch wie möglich von hier verschwindet. Es wird sie keiner vermissen, denn die Behörden haben Madame Pfefferkorn vorerst untersagt, ihr Gewerbe weiter zu betreiben.«
Delaroux bemerkte den abweisenden Gesichtsausdruck seines Gegenübers und ahnte, dass der Major störrisch werden würde, wenn er zu viel Druck auf ihn ausübte. Daher lenkte er ein. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber ich gebe Ihnen den guten Rat, diskret vorzugehen,
mon ami
. Es geht um Ihre Zukunft, falls Sie das vergessen haben sollten.«
»Das habe ich gewiss nicht vergessen«, antwortete von Palkow gepresst und blickte auf die Uhr. »Sie sollten jetzt gehen. Ich erwarte Besuch.«
»Die liebenswürdige Madame de Trettin, ich weiß! Ich werde Sie nicht länger aufhalten und wünsche Ihnen erregende Stunden!« Delaroux wandte sich schon zur Tür, als dem Major noch etwas einfiel.
»Einen Moment bitte! Ich werde bald wieder mit den Geldgebern für unser Geschenk zusammentreffen, und dann benötige ich Informationen über den Baufortschritt der Dampfyacht. Die Herren haben höhere Summen investiert und wollen Ergebnisse sehen. Außerdem muss ich meinen Kameraden
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