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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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lassen. Doch nun muss ich Sie bitten, zu gehen. Sie haben mir nämlich eine Menge neuer Arbeit eingetragen. Guten Tag!«
    Lore verabschiedete sich lächelnd und verließ das Zimmer. Auf dem Flur wandte sie sich feixend an Konrad. »Wie es aussieht, wird der Herr Staatsanwalt jetzt seinen Hintern von seinem Stuhl hochwuchten müssen. Das schadet ihm gar nichts. Warum musste er diesen Fall auch so nachlässig handhaben?«

XIX.
    V on Bucher saß an seinem Schreibtisch und starrte die Unterlagen, die Lore ihm gebracht hatte, mit verbissener Miene an. Nach einer Weile nahm er die kleine Taschenpistole in die Hand. Sie war von derselben Firma in den USA hergestellt worden wie die Mordwaffe. Liebend gerne hätte der Staatsanwalt das Ganze als den Versuch hingestellt, ihm nachträglich ein falsches Beweismittel unterzuschieben. Doch die verschlungene Gravur F. v. Trettin war zu eindeutig und so abgegriffen, dass sie mit Sicherheit schon vor vielen Jahren angebracht worden war.
    Mit einer ärgerlichen Bewegung legte er die Pistole wieder zurück und rief nach dem Gerichtsdiener. »Porschke, besorgen Sie mir einen Wagen. Ich muss weg!«
    Der schon etwas ältere Beamte salutierte. »Jawohl, Herr Staatsanwalt. Werde einen Wagen besorgen!« Damit verschwand er.
    Von Bucher steckte die Beweisstücke in seine Aktentasche und folgte dem Gerichtsdiener. Dieser hatte auf der Straße eine vorüberfahrende Droschke angehalten und die Passagiere zum Aussteigen aufgefordert. Als diese zu protestieren anhoben, erklärte Porschke, der Herr Staatsanwalt benötige dringend den Wagen, schon stiegen die Passagiere hastig aus und grüßten von Bucher ehrerbietig. Dieser beachtete sie jedoch nicht, sondern stieg ein, knallte den Schlag zu und rief: »Zum Palais des Kanzlers, aber rasch!«
    Während die Droschke anfuhr, wirbelten die Gedanken des Staatsanwalts wie Blätter im Herbststurm. Immerhin handelte es sich bei dem Fall um einen Mord, der im schlimmsten Fall schwere diplomatische Verwicklungen mit Russland nach sich ziehen konnte. Tirassow war kein schlichter Tourist gewesen, der Berlins verruchte Atmosphäre hatte erkunden wollen, sondern ein hoher Diplomat im Dienst der russischen Botschaft. Da konnten übelwollende Kreise leicht aus einer Mücke einen Elefanten machen. Zudem war von Bucher sich nicht sicher, ob es sich wirklich nur um eine Mücke handelte. Nach den neuen Erkenntnissen schien diese Sache seine Kompetenzen zu übersteigen, und so wollte er sich bei dem einzigen Mann rückversichern, der die dafür nötige Autorität besaß.
    Beim Palais des Reichskanzlers angekommen, ließ von Bucher sich bei Bismarck melden, musste dann aber länger als eine Stunde im Vorzimmer warten, bis er vorgelassen wurde.
    Otto von Bismarck stand in einer schlichten blauen Uniform am Fenster und blickte auf die Straße hinunter, auf der immer wieder Droschken und andere Kutschwagen anhielten und die Insassen sichtlich ergriffen oder erregt auf das Gebäude zeigten, in dem er residierte. Erst als sein Besucher es wagte, sich leise zu räuspern, wandte er sich um.
    »Ah, von Bucher. Was führt Sie zu mir?«
    »Es geht um den Mord an Fürst Tirassow«, begann der Staatsanwalt zögerlich.
    »Ich dachte, Sie hätten den Mörder?«, fragte der Reichskanzler verwundert.
    Von Bucher schluckte kurz, bevor er Antwort gab. »Wie es aussieht, Euer Exzellenz, ist dieser Mörder leider nicht der Mörder!«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ich habe neue Erkenntnisse erhalten, die die Sachlage verkomplizieren. Danach wurden der Fürst und die Hure mit einer Waffe erschossen, die hinterher mit der Pistole des betrunkenen oder betäubten Freiherrn von Trettin vertauscht wurde. Hier ist dessen Pistole!« Von Bucher holte die Waffe heraus und zeigte sie dem Kanzler.
    Bismarck musterte sie eingehend und befahl dem Staatsanwalt, alles zu berichten. Während dieser seinen Wissensstand wie einen Vortrag ausrollte, rasten die Gedanken des Reichskanzlers. Doch zunächst hörte er nur zu.
    Erst als von Bucher geendet hatte, fragte er nach: »Sie sagen, Major von Palkow wäre darin verwickelt?«
    »Zumindest wird das behauptet!« Von Bucher hätte sich in diesem Augenblick lieber vor Gericht einen harten Kampf mit den besten Anwälten geliefert, als dem Reichskanzler Rede und Antwort stehen zu müssen.
    »Palkow! War mal ein schneidiger Offizier, hat aber eine fatale Neigung für die falschen Frauen. Das hat ihm damals das Genick gebrochen. Jetzt will er ein ganz großes

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