Aprilgewitter
Bankierstochter heiraten. Wenn Sie den aus dem Knast herausholen, haben Sie doch gar nichts davon!«
Lore begriff, dass Elsie versuchen wollte, sie gegen Fridolin aufzuhetzen. Doch selbst wenn er täglich ins Bordell gelaufen wäre und sie zudem mit einem Dutzend anderer Weiber betrogen hätte, würde dies nichts an der Situation ändern. Sie war seine Frau und hatte in guten wie in schlechten Zeiten zu ihm zu stehen.
Während Lore Elsie weitestgehend ignorierte, drohte Gregor der Gefangenen mit der Faust. »Wenn du nicht gleich dein schmutziges Mundwerk hältst, vergesse ich, dass ich ein Kavalier bin.«
»Pah, Sie und ein Kavalier! Wer sind Sie denn? Wahrscheinlich der Liebhaber dieser sogenannten Dame. Die ist doch kein Deut besser als ihr Mann. Nein, nicht schlagen! Ich halte schon den Mund!« Elsie kreischte, als Gregor mit der Hand ausholte. Zwar unterblieb der Schlag, doch nun war die Hure so eingeschüchtert, dass sie tatsächlich schwieg.
Die Ruhe, die nun einkehrte, und das durch die Schienenzwischenräume erzeugte rhythmische Klong-Klong der Räder wirkten einschläfernd, und ehe Jutta sich’s versah, fielen ihr die Augen zu. Auch Lore und Nathalia spürten eine bleierne Müdigkeit, der sie schließlich unterlagen.
Gregor aber hielt sich mit eiserner Disziplin wach und bewachte die Gefangene ebenso wie den Schlaf der beiden Frauen und
des Kindes.
In Berlin besorgte der Kondukteur ihnen einen geschlossenen Wagen, mit dem sie ihre Gefangene wegbringen konnten. Zunächst fuhren sie in das Haus in der Turmstraße. Dort bezahlte Lore den Kutscher und schloss die Tür auf, während Jutta und Gregor Elsie festhielten. Diese hätte zwar am liebsten Zeter und Mordio geschrien, doch da sie Gregor für einen Offizier hielt, der auf die Passanten einwirken und sie als Verbrecherin hinstellen konnte, blieb sie still und wartete angespannt darauf, ob sich ihr ein anderes Schlupfloch bot.
Die Rückkehrer wurden von Mary, Konrad und Caroline bereits erwartet. Lenka war ebenfalls noch im Haus. Sie hatte den Rest der Nacht und den gesamten Tag im Bett verbracht und war, als sie gehört hatte, Lore wäre zurück und hätte die flüchtige Hure gefangen, aufgestanden und kam, gehüllt in einen von Lores Morgenmänteln, ins Zimmer. Bei Elsies Anblick flammten ihre Augen zornig auf, und sie sah sich nach etwas um, womit sie der anderen die Schläge heimzahlen konnte. Doch als sie zum Kamin ging, um den Schürhaken zu holen, schritt Lore ein.
»Halt! Wenn wir sie Staatsanwalt von Bucher übergeben, darf sie keine Spuren einer Misshandlung zeigen.«
»Aber ich bin misshandelt worden! Seht euch nur meine Handgelenke an!« Elsie hielt ihr diese anklagend entgegen. Bei ihren Versuchen, die Handschellen abzustreifen, hatten diese ins Fleisch eingeschnitten und rote Striemen hinterlassen.
»Daran bist du selbst schuld. Und jetzt sperrt sie in den Keller. Du«, Lores Finger wies auf Lenka, »wirst jetzt alles aufschreiben, was du in Kleinmachnow erlebt hast, damit ich es Herrn von Bucher vorlegen kann.«
Widerstrebend legte Lenka den Schürhaken weg und setzte sich an den Tisch. Caroline reichte ihr Schreibpapier und einen Federhalter und blieb neben ihr stehen, um sie auf Fehler aufmerksam zu machen, die ihrer geringen Schulbildung geschuldet waren. Unterdessen gingen Konrad und Gregor auf Elsie zu und wollten diese wegbringen.
Das frühere Dienstmädchen wich vor ihnen zurück und sah Lore an. »Ich muss aufs Klo! Oder darf ich das auch nicht?«
»Geh nur. Aber glaube nicht, dass du durch das Fenster entfliehen kannst. Das ist sogar für eine so schleimige Kreatur wie dich zu klein.« Lore gab den beiden Männern einen Wink, rieb sich dann über die Augen, die sich anfühlten, als hätte sie Sand unter den Lidern, und verschwand in ihrem Zimmer. Jutta, die ihr gefolgt war, befahl sie, sie nach einer Stunde zu wecken. Dann zog sie sich aus und schlüpfte kurzerhand in der Unterwäsche unter die Decke.
XVII.
A ls Lore erwachte, dämmerte bereits der Morgen. Mary und Hede saßen neben ihrem Bett über eine Modezeitschrift gebeugt, legten diese aber weg, als Lore sich rührte.
Bevor sie etwas sagen konnte, hob Mary die Hand. »Schimpfe jetzt nicht mit Jutta, weil sie dich nicht geweckt hat. Ich habe sie zu Bett geschickt, denn sie war nicht weniger erschöpft als du. Außerdem habe ich mir gesagt, dass du für den Besuch bei Staatsanwalt von Bucher frisch sein solltest. Gestern Abend wärst du gewiss nicht mehr zu ihm
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