Aprilgewitter
Ding drehen und dann nach Amerika entschwinden? Warten Sie!«
Bismarck rief nach seinem Sekretär und befahl ihm, eine bestimmte Akte zu bringen. Bis dieser damit zurückkam, murmelte er die Begriffe »Palkow«, »Tirassow«, »große Sache« vor sich hin.
Als der verlangte Akt vor ihm lag, blätterte er mit einem unwirschen Ausdruck um den Mund darin herum. »Tirassow war mit Palkow bekannt. Der Russe hat Palkow von seinen Leuten beschatten lassen. Dann muss es zwischen den beiden eine Auseinandersetzung gegeben haben. Leider wissen meine Informanten nicht, worum es dabei gegangen ist, aber es handelte sich offensichtlich um ein schwerwiegendes Zerwürfnis. Auch ist hier von einem angeblichen französischen Agenten die Rede, der Palkow ebenfalls mehrmals aufgesucht haben soll. Tirassow war ein höchst patriotischer Russe. Weder er noch seine Untergebenen hätten sich jemals mit den Franzosen eingelassen!«
Bismarck schwieg einen Moment und studierte die Akte weiter. »Ah, hier ist es! Die Warnung eines vertrauenswürdigen Mannes aus Paris, dass die Franzosen hier in Berlin einen Anschlag auf eine hochgestellte Persönlichkeit planen. In einem weiteren Dossier ist von einer Dampfyacht die Rede, die Palkow mit einigen anderen Leuten bauen lassen und einem hohen Herrn als Geschenk übergeben will.«
»Davon habe ich gehört. Der Fabrikant Rendlinger und ein Bankier mit Namen Grünfelder sind die maßgeblichen Betreiber dieser Angelegenheit«, fügte von Bucher hinzu, froh, etwas zu der Angelegenheit beitragen zu können.
Der Kanzler sah so grimmig aus, dass der Staatsanwalt befürchtete, umgehend in die hinterste Provinz versetzt zu werden. Doch Bismarck ballte nur die Faust und drohte nach Westen. »Die Herren in Frankreich sollten nicht glauben, dass wir keine Augen zum Sehen und Ohren zum Hören haben! Doch diese Angelegenheit geht Sie nichts an, von Bucher. Ich werde mich persönlich darum kümmern. Setzen Sie inzwischen diese angebliche Mörderin fest und Major von Palkow ebenfalls.«
»Die Armee liebt es nicht, wenn ihre Offiziere von zivilen Dienststellen arretiert werden«, wandte der Staatsanwalt ein.
»Sie erhalten heute Nachmittag den Haftbefehl. Bis dorthin behalten Sie von Palkow unter Beobachtung, damit er Ihnen nicht entwischt. Ein preußischer Offizier, der eine große Sache durchführen und danach in die Neue Welt reisen will – das passt nicht zusammen! Insbesondere, wenn ausländische Spionagedienste sich für ihn interessieren und viel Geld im Spiel ist. Da wird mit Sicherheit eine elende Teufelei vorbereitet! Aber die werde ich zu verhindern wissen.«
Otto von Bismarck klang so entschlossen, dass der Staatsanwalt froh war, nicht zu seinen Feinden zu zählen. Auch wenn ihm davor graute, einen Offizier verhaften zu müssen, so erleichterte es ihn, einen klar umrissenen Befehl erhalten zu haben. Noch während er sich verabschiedete, kritzelte der Kanzler Anweisungen auf einen Zettel und übergab sie seinem Sekretär.
I.
H einrich von Palkow stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte auf den gähnend leeren Appellplatz der Kadettenanstalt. »Ferien!« Der Major stieß dieses Wort wie einen Fluch aus. In dieser Zeit wurde ihm seine zerstörte Karriere stets am stärksten bewusst.
Als er noch im aktiven Dienst gestanden hatte, war er für die Urlaubszeit von seinen Regimentskameraden und anderen Offizieren auf deren Güter eingeladen worden. Seit jenem Tag aber, der für ihn ein so schreckliches Ende genommen hatte, schnitt man ihn. Manchmal luden ihn die Eltern eines Zöglings für zwei, drei Tage ein, doch das taten nur diejenigen, die von jener fatalen Geschichte nichts wussten. Mittlerweile schien sich sein Pech weiter herumgesprochen zu haben, denn in diesem Jahr hatte er keine einzige Einladung erhalten. Das führte ihm vor Augen, dass er nicht nur als Offizier gescheitert war, sondern nun auch von der feinen Gesellschaft geächtet wurde. All dies hatte er jenem Weib zu verdanken, welches er so heiß verehrt hatte und das zu dumm gewesen war, ihre Liaison vor ihrem eifersüchtigen Ehemann zu verbergen.
Mit Mühe schüttelte von Palkow die trüben Erinnerungen ab und richtete seine Gedanken auf die Zukunft. In wenigen Monaten würde die bestellte Dampfyacht fertiggestellt sein. Wenn er das Schiffchen zusammen mit Rendlinger, Grünfelder und den anderen an den Prinzen übergeben hatte, würde er schleunigst aus Preußen verschwinden. Was danach kam, war nicht mehr seine Sache,
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