Aprilgewitter
doch da sprang dieser auf, stieß die beiden Gendarmen zurück und eilte zur Tür. Bevor er diese erreichte, versperrten ihm mehrere Offiziere den Weg und stellten sich ihm mit gezückten Degen entgegen.
»Verfluchte Hunde!«, entfuhr es ihm.
Bevor die Situation eskalieren konnte, waren die Gendarmen bei ihm und packten den Oberst bei den Armen. Einer zog ihm den Degen aus der Scheide und reichte ihn an von Bucher weiter. Dieser klemmte ihn unter den linken Arm, deutete eine Verneigung in Richtung der anderen Offiziere an und verließ mit seinem Gefangenen und den Gendarmen den Raum.
II.
I m Kasino schlug von Palkows Verhaftung ein wie eine Bombe. Während die Offiziere sich in alle möglichen Theorien verstiegen, sonderte Friedrich von Trepkow sich immer weiter ab und trank mehrere doppelte Cognacs, um seine flatternden Nerven zu beruhigen. Dabei starrte er die meiste Zeit auf die Tür, denn er befürchtete, von Bucher würde jeden Moment zurückkehren und auch ihn in Haft nehmen. Es war ihm ein Rätsel, wie der Staatsanwalt dem Mordplan auf die Spur gekommen sein konnte, doch spätestens wenn der Major redete, würde man seine Beteiligung ebenfalls aufdecken.
Seine Karriere im preußischen Heer war so oder so zu Ende. Als Gefangener konnte von Palkow ihm das Geld nicht mehr geben, das er für diese verfluchte Dampfyacht bezahlen musste. Damit stand er vor Rendlinger, Grünfelder und den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft als ehrlos da. Auch wenn es sich nur um lumpige Zivilisten handelte, reichte dies aus, um ihn gesellschaftlich zu ruinieren. Wenn ihm dann auch noch eine Mitschuld an Tirassows Tod nachgesagt wurde, konnte er sich gleich eine Kugel in den Kopf schießen.
Für eine Weile fühlte von Trepkow sich vor Angst wie gelähmt. Dann straffte er sich. Einen Ausweg gab es. Er musste Deutschland und möglichst auch Europa verlassen. In vielen Ländern wurden gut ausgebildete Offiziere gesucht. Vielleicht konnte er in die Dienste des Sultans der Osmanen treten. Oder nach Südamerika gehen. Dort wurde ständig Krieg geführt.
Das Einzige, was ihm dazu fehlte, war das Reisegeld. Aber er wusste bereits, wie er sich das beschaffen konnte. Mit einem wehmütigen Blick musterte er seine bisherigen Kameraden, die sich immer noch über von Palkow und dessen Schicksal unterhielten, und verließ das Kasino ohne Abschiedsgruß.
Auf der Straße fand er sofort eine Droschke und ließ sich zu Grünfelders Villa fahren. Da er nicht zu den üblichen Besuchszeiten auftauchte, blickte ihn der Diener, der ihm öffnete, verwundert an. »Sie, Herr Leutnant? Herr Grünfelder befindet sich leider noch in der Bank. Wenn Sie ihn aufsuchen wollen, müssen Sie dorthin fahren!«
»Ich will nicht zu Grünfelder, sondern zu den Damen«, gab von Trepkow kurz angebunden zurück.
Der Diener schüttelte den Kopf. »Die gnädige Frau ist ausgefahren, und das gnädige Fräulein empfängt jetzt nicht.«
»Mich wird sie empfangen!« Der Leutnant schob den Diener einfach beiseite und trat in das Haus.
Der Mann folgte ihm, wagte aber nicht, handgreiflich zu werden. »Aber Herr Leutnant, Sie können doch nicht so einfach …«, versuchte er von Trepkow zu bremsen.
Dieser blieb kurz stehen und funkelte ihn zornig an. »Du kannst mich auch etwas! Lies es bei Goethes Götz von Berlichingen nach. Und jetzt verschwinde!« Ein Griff zum Degen begleitete diese Worte, und so wich der Diener erschrocken zurück.
Nun kam es dem Leutnant zupass, dass Grünfelder ihm und den anderen Gästen in seinem lächerlichen Stolz das ganze Haus gezeigt hatte. Er kannte den Weg zu den Räumen der jungen Dame und wurde zudem von den Klängen des Spinetts geführt, auf dem Wilhelmine gerade spielte. An der offenen Tür blieb er kurz stehen und betrachtete das Mädchen. Es war hübsch genug zum Heiraten und so reich, dass er sich in einem exotischen Land den Rang eines Generals würde kaufen können.
Mit einem Lächeln, dem jede Wärme fehlte, trat er auf Wilhelmine zu und neigte grüßend das Haupt. »Gnädiges Fräulein, darf ich’s wagen?«, sagte er und streckte die Hand nach ihr aus. Heute habe ich es anscheinend mit Goethe, fuhr es ihm dabei durch den Kopf.
Wilhelmine starrte ihn verwirrt an. »Hat Papa Sie geschickt?«
Der Leutnant wollte schon verneinen, da kam ihm eine ausgezeichnete Idee. »So ist es, gnädiges Fräulein. Er hat mich gebeten, Sie zu ihm zu bringen. Wenn Sie mir bitte folgen würden!«
»Ich muss noch mein Ausgehkleid anziehen«,
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