Aprilgewitter
vorbeifahrende Droschke hineinrannte. Deren Kutscher zügelte sein Gespann im letzten Augenblick und begann zu schimpfen, als Emil sich in den Droschkenkasten schwang.
»He, das geht nicht. Meine Droschke ist bestellt!«
»Das ist ein Notfall! Los, fahren Sie in die Turmstraße.« Mit diesen Worten steckte Emil dem Kutscher eine Banknote zu, die ausgereicht hätte, den Wagen für eine ganze Woche zu mieten. Der Fahrer steckte sie weg, nützte die nächste Möglichkeit zum Wenden und hielt kurz darauf vor Lores Haus.
»Warten Sie hier!«, rief Emil und stürmte zur Tür. Dort schlug er den Klopfer so fest an, dass die Bewohner des Hauses im Vorraum zusammenliefen. Jutta öffnete ihm und war enttäuscht, nicht Fridolin vor sich zu sehen, dessen Freilassung sie alle so sehr erhofften.
»Sie wünschen?«, fragte sie, doch da war Emil bereits an ihr vorbeigestürmt. Er blieb vor Caroline stehen und sah sie flehend an. »Wie es aussieht, hat Ihr Bruder Fräulein Grünfelder entführt. Haben Sie eine Ahnung, wohin er sich gewandt haben könnte?«
Lore verkrampfte die Hände vor der Brust. Wenn Leutnant von Trepkow Grünfelders Tochter derart kompromittierte, dass deren Vater nichts anderes übrig blieb, als sie mit ihm zu verheiraten, würde Fridolin das Nachsehen haben und brauchte sich nicht von ihr scheiden zu lassen. Vielleicht würde dann alles wieder gut.
»Wir wissen nichts!«, rief Nathalia, die den gleichen Gedanken hatte.
Caroline von Trepkow starrte einige Augenblicke zu Boden, atmete dann tief durch und sah Lore mit einem Blick an, der ihren inneren Zwiespalt verriet. »Verzeihen Sie mir, liebste Freundin. Aber ich kann nicht zulassen, dass mein Bruder auch noch das Leben dieser jungen Frau zerstört.«
Lore versuchte zu lächeln. »Sie haben recht, Caroline. Auch das eigene Glück ist es nicht wert, auf dem Leid anderer errichtet zu werden. Ich nehme an, Sie sind ebenfalls überzeugt, dass Ihr Bruder die junge Frau in dieses heruntergekommene Haus bei Kleinmachnow bringt. Herr Dohnke wird Ihre Unterstützung brauchen, um es zu finden. Jutta, begleitest du die beiden, damit es nicht so aussieht, als würde Herr Dohnke mit Fräulein von Trepkow durchbrennen? Ich werde Konrad und Herrn Hilgemann aufsuchen und euch zusammen mit ihnen folgen. Es könnte ja sein, dass Herr von Trepkow sich uneinsichtig zeigt.«
Da Emil die Gerüchte kannte, die sich um Lore, Fridolin und Wilhelmine rankten, ergriff er ihre Hand und küsste sie. »Gnädigste, Sie sind die edelste Frau, die ich kenne.«
»Und Sie lassen Trepkow zu viel Vorsprung! Beeilen Sie sich gefälligst, wenn Sie den Leutnant daran hindern wollen, vollendete Tatsachen zu schaffen.« Lore verzichtete darauf, sich umzuziehen, sondern warf nur einen leichten Mantel über ihr Hauskleid und schritt zur Tür. »Nati, du kommst mit mir!«
Während Nathalia ihr abenteuerlustig folgte, eilten auch Emil, Caroline und Jutta nach draußen.
Lore überließ ihnen die wartende Kutsche und legte, als nicht gleich darauf ein anderer Wagen in Sicht kam, die Strecke bis zu Marys und Konrads Wohnung zu Fuß zurück. Diesmal hatte sie keinen Blick für die Litfaßsäule übrig, auf der noch immer das Plakat klebte, auf dem Mrs. Penn sich beehrte, die Eröffnung ihres Modesalons bekanntzugeben.
IV.
K onrad war nicht zu Hause. Damit hatte Lore nicht gerechnet. Sie brauchte ihn, da sie die genaue Lage des Waldhauses nicht kannte. Auch Gregor Hilgemann war überfragt und bot sich an, Konrad zu suchen. Doch als er Lore vorschlug, so lange hier zu warten, bis er wieder zurück war, schüttelte diese den Kopf. »Ich sorge mich um Caroline und Herrn Dohnke. Wenn von Trepkow zu allem entschlossen ist, wird er nicht vor Gewalt zurückschrecken.«
»Dann werden auch Sie ihn nicht aufhalten können«, wandte Gregor ein. »Außerdem sagten Sie selbst, Sie wüssten nicht, wo das Haus liegt. Ich halte es für das Beste, wenn Sie hier warten, bis ich Herrn Benecke gefunden habe.«
Lore schüttelte störrisch den Kopf. »Dann kann es zu spät sein. Holen Sie Konrad und kommen Sie uns so rasch wie möglich nach. Nach dem Haus werde ich in Kleinmachnow fragen. Doch wenn es zum Äußersten kommt, brauche ich eine Waffe. Konrad müsste ein paar Pistolen besitzen.«
»Aber …« Gregor brach ab, als er Lores entschlossene Miene sah, und überlegte, ob er sie nicht besser begleiten sollte. Dann aber sagte er sich, dass er nicht lange brauchen würde, bis er Konrad gefunden hatte. Wenn der
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