Aprilgewitter
romantischen Entführungen gelesen, doch endeten diese stets in prachtvollen Schlössern oder standesgemäßen Gutshöfen, niemals aber in der Ruine einer Kate.
»Sie wollen mich doch nicht etwa da hineinbringen?«, fragte sie entsetzt.
Er stieß sie wortlos durch die Tür und schleppte sie in einen Raum, in dem ein einzelnes, wurmstichiges Bett mit einer nicht besonders sauberen Zudecke stand. An den Wänden webten Spinnen ihre Netze, um die Fliegen zu fangen, die in großer Zahl umherschwirrten.
»Ausziehen!«, herrschte von Trepkow sie an und nestelte an seiner Uniformjacke.
Wilhelmine blieb jedoch stocksteif stehen und schüttelte auch dann noch den Kopf, als er ihr eine schallende Ohrfeige versetzte. »Gehorchen Sie, oder ich reiße Ihnen die Kleider vom Leib! Dann werde ich Ihnen den Hintern mit der Scheide meines Säbels versohlen, bevor ich Sie zu der Meinen mache!«
Dicke Tränen rollten über Wilhelmines Wangen, aber es kam kein Laut aus ihrer Kehle. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein, dem Leutnant vertrauensvoll in die Droschke zu folgen. Nun würde sie ihr ganzes Leben unter diesem Fehler leiden.
Wild entschlossen, ihm die Stirn zu bieten, sah sie ihn an. »Sie werden mich töten müssen, denn ich weigere mich, Ihnen zu willfahren!«
Der Leutnant amüsierte sich über ihre theatralischen Worte. »Ein paar Ohrfeigen und ein schmerzender Hintern werden dir dein Köpfchen schon zurechtsetzen, mein Mädchen. Du wirst schnell lernen, mich nicht zu erzürnen.« Er versetzte ihr zwei Schläge ins Gesicht und nestelte dann die Knöpfe ihres Kleides auf. Ihre Versuche, ihn daran zu hindern, beantwortete er mit weiteren Ohrfeigen, bis sie schließlich schluchzend aufgab und zuließ, dass er ihr das Kleid und die Unterröcke über den Kopf zerrte. Als er ihr das Unterhemd ausziehen wollte, hörte er auf einmal Schritte und den Ruf: »Verfluchter Schuft!«
Emil Dohnke stürmte in den Raum und wollte auf den Leutnant losgehen.
Doch dieser stieß ihm Wilhelmine in die Arme, wich einen Schritt zurück und zog blank. »Du hättest in deiner Bank bleiben sollen, Tintenkleckser! Von dir lasse ich mich nicht aufhalten.«
Er holte mit dem Degen aus und wollte den Störenfried niederstoßen. Caroline, die Dohnke auf dem Fuß gefolgt war, erfasste die Situation und trat mit einem Aufschrei zwischen Emil und ihren Bruder.
»Friedrich! Hast du deine Ehre denn ganz verloren?«
»Geh mir aus dem Weg. Ich bringe den Kerl um!«
»Dann musst du vorher mich töten!«, gab seine Schwester zurück.
»Und mich auch!« Wilhelmine stellte sich neben Caroline und fasste nach deren Hand.
Emils Gesicht wurde weiß vor Zorn und Scham, weil die beiden Frauen glaubten, ihn vor dem Degen des Leutnants beschützen zu müssen. »Geht beiseite! Mit diesem Kerl werde ich auch mit bloßen Händen fertig.«
Er versuchte Caroline und Wilhelmine wegzuschieben, doch die beiden klammerten sich so fest aneinander, dass er nicht an ihnen
vorbeikam.
Von Trepkow stieß einen wütenden Laut aus und richtete die Klinge seines Degens auf Caroline. »Stell dich nicht gegen mich! Sonst vergesse ich, dass du meine Schwester bist.«
»Das hast du doch schon längst.« Caroline sah ihn so voller Verachtung an, dass er mit den Zähnen knirschte.
»Du hast es nicht anders gewollt!«, schrie er und holte zum Stoß gegen ihre Brust aus.
Unbemerkt von den vieren war Lore hereingekommen. Als sie sah, dass von Trepkow auf seine Schwester losgehen wollte, riss sie den Colt aus ihrer Tasche und zielte auf ihn. »Halt! Oder ich schieße Sie nieder wie einen tollen Hund!«
Der schwere Revolver zitterte in Lores Hand. Daher ließ sie ihre Tasche fallen und fasste den Griff mit beiden Händen. Ihr rechter Zeigefinger krümmte sich um den Abzugbügel, und der erste Schuss entlud sich krachend.
Die Kugel sauste so knapp an von Trepkow vorbei, dass dieser vor Schreck zur Seite sprang.
Emil begriff, dass die junge Frau nicht in der Lage war, den Mann zu töten. Daher nahm er ihr den Colt aus der Hand und zielte auf den Leutnant. »Sie sind ein elender Schuft, von Trepkow! Am liebsten würde ich Sie über den Haufen schießen. Aber im Gegensatz zu Ihnen bin ich kein Mörder und will Fräulein Grünfelder den Anblick Ihres Leichnams ersparen.«
»Wie wollen Sie den Skandal verhindern? Ich werde vor Gericht aussagen, bei Grünfelders Tochter bereits zum Ziel gekommen zu sein! Also sollten Sie mich lieber mit ihr zusammen gehen lassen.« Von Trepkow grinste,
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