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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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verzweifelt, was sie tun konnten. Da fiel ihr Blick in das hintere rechte Eck der Hütte, in dem die Wand zum Teil von dem Fels der hinter ihnen aufsteigenden Bergwand gebildet wurde.
    »Los, dort hinüber! Wir hocken uns neben dem Felsen auf den Boden.« Sie packte Nathalia und schleifte sie mit sich. Jutta folgte ihnen, und während sie sich eng aneinanderkauerten, erbebte das Haus unter einem heftigen Schlag, und sie hörten Holz bersten.
    Jetzt ist es vorbei, durchfuhr es Lore, und während Schnee auf sie herabfiel, galten ihre Gedanken Fridolin, und sie bedauerte es zutiefst, dass sie sich nicht mehr mit ihm hatte aussprechen können.

VII.
    F ridolin hatte etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ihn ein Geräusch innehalten ließ. Zunächst lauschte er verwirrt, ohne feststellen zu können, woher der Lärm kam oder was er zu bedeuten hatte. Da breitete sich auf einmal eine Wolke aus staubfeinem Schnee über der Hütte aus und hüllte deren gesamte Umgebung innerhalb von Sekunden ein. Augenblicke später fegte eine eisige Böe über ihn hinweg, und feinster Schnee drang unter seine Kleidung bis auf die Haut.
    Im nächsten Moment begann der Berg zu brüllen. Voller Entsetzen starrte Fridolin nach oben und sah, wie eine weiße Wand mit wachsender Geschwindigkeit zu Tal stürzte, über die Hütte hinwegraste und tief unten in einem Bergwald zum Halten kam.
    Für qualvolle Augenblicke nahm der aufgewirbelte Schnee Fridolin die Sicht. Als er wieder etwas erkennen konnte, lag dort, wo vorhin noch das Gebäude gestanden war, ein riesiger Schneehügel.
    »Lore, nein!« Fridolin brach weinend zusammen. Erst als Thomas herangekommen war und ihm die Hand auf die Schulter legte, blickte er auf. »Sie ist tot!«
    Thomas hätte ihm gerne gesagt, dass dies noch nicht sicher sei, doch ein Blick auf die Unglücksstelle verhieß nichts Gutes. Die Lawine hatte die Hütte vollständig unter sich begraben. Wahrscheinlich war das Haus unter der Macht der Elemente zusammengebrochen, und nun lag Lore unter diesen Schneemassen begraben.
    Unterdessen hatte auch Konrad aufgeschlossen und stand wie ein Häufchen Elend neben den beiden. »Ich bin schuld!«, flüsterte er. »Ich hätte dich damals nicht aufhalten dürfen, als du Lore folgen wolltest. Aber ich Idiot habe dir gesagt, du darfst dein Regiment nicht ohne Erlaubnis verlassen. Wenn ich …«
    »Sei doch still!«, fuhr Thomas ihn an. »Was geschehen ist, ist geschehen. Keiner von uns kann es rückgängig machen. Es war Lores Wille, hier zu leben. Sie hätte auch zu uns nach Bremen kommen können.« Er hieb vor Verzweiflung in den Schnee und schüttelte dann den Kopf.
    »Mit Graben brauchen wir wohl gar nicht erst anzufangen. Lore und ihre Zofe können überall unter dem Schnee liegen.«
    »Und Nathalia auch«, setzte Konrad mit fast unhörbarer Stimme hinzu.
    »Gott hat es so gewollt!«, erklärte Thomas mit gepresster Stimme. Der Gedanke, dass dies alles der Wille des Himmels gewesen sei, war der einzige Trost, der ihnen in dieser Stunde blieb.
    Während Thomas still trauerte, stand Fridolin auf, ballte die Fäuste und brüllte den Berg an. »Warum? Warum konntest du deinen Schnee nicht hundert Schritte zur Seite in die Tiefe stürzen lassen?«
    Konrad legte ihm den Arm um die Schulter. »Komm, steigen wir wieder ins Dorf hinab. Hier können wir nichts mehr tun.«
    »Ich will zu Lore!«, antwortete Fridolin verzweifelt und stapfte weiter nach oben.
    Konrad warf einen kurzen Blick ins Dorf, folgte ihm aber ebenso wie Thomas. Sie holten Fridolin erst ein, als er bereits am Rand der niedergegangenen Lawine stand. Von dieser Stelle aus konnte man nicht einmal mehr erkennen, wo die Hütte gestanden haben musste.
    Fridolin setzte sich mit einer hilflosen Geste in den Schnee. »Ich habe Lore im Stich gelassen!«
    »Friss dich nur selbst auf!«, fuhr Konrad ihn an. »Hätte Lore das ebenfalls getan, säßest du noch im Gefängnis oder wärst längst geköpft. Sie hat ihren Schmerz ertragen und trotzdem gekämpft. Das solltest du auch tun!«
    »Ich habe nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt.« Fridolin seufzte, legte den Kopf auf die Knie und sah ganz so aus, als wolle er hier warten, bis die Kälte ihn überwältigt hatte und er erfroren war.
    »Was machen wir mit ihm?«, fragte Konrad Thomas.
    Dieser schüttelte sich, um das Gefühl des Todes, das er hier zu spüren glaubte, loszuwerden, und zuckte dann hilflos mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Mein Gott, wenn Dorothea

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