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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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und ich nicht noch erst nach Berlin, sondern direkt von Bremen hierher gereist wären, hätten wir Lore schon gestern erreicht und sie wäre vielleicht gerettet worden.«
    »Oder ihr wärt mit ihr zusammen verschüttet«, setzte Konrad düster hinzu.
    Rufe, die von unten heraufdrangen, ließen sie aufschauen. Etliche Dörfler strebten herauf. Zwei von ihnen trugen Dorothea und Caroline auf dem Rücken, übergaben sie dann aber an zwei andere Männer, damit sie rascher vorwärtskamen.
    Zu Konrads und Simmerns Verwunderung blickten die Leute nicht zu ihnen hoch, sondern noch ein Stück weiter nach oben. Dabei riefen sie Worte in ihrem für sie unverständlichen Dialekt, und eben gab einer von ihnen einem anderen Mann einen Schubs. Dieser nickte und eilte mehr schlitternd als laufend ins Dorf zurück.

VIII.
    E ine unendliche Stille um sie herum war das Erste, was Lore wieder zu Bewusstsein kam. Sie musste ohnmächtig geworden sein, dachte sie und erinnerte sich dann an die Lawine, die über der Hütte niedergegangen war. Sie versuchte aufzustehen und merkte, dass sie unter Schnee begraben lag. Für einen Moment überschwemmte Panik ihr Bewusstsein. Dann gelang es ihr, den rechten Arm und den Kopf freizubekommen. Um sie herum war es so dunkel, dass man kaum etwas erkennen konnte. Aber sie lebte noch, und die Hütte schien den Ansturm der Elemente halbwegs überstanden haben. Zwar war Schnee ins Innere gedrungen und bedeckte den Boden um sie herum gut kniehoch. Darüber aber gab es freien Raum und Luft zum Atmen.
    Diese Erkenntnis ließ Lore die angehaltene Luft ausstoßen. Nun dachte sie an Nathalia und Jutta und durchwühlte den Schnee, um nach ihnen zu suchen. Schon nach kurzer Zeit stieß sie auf die schmalen Schultern des Mädchens und hob es hoch.
    »Sind wir jetzt tot?«, fragte Nathalia leise.
    »Noch nicht«, antwortete Jutta grimmig. Sie hatte sich selbst befreit, klopfte nun den Schnee von sich und sah sich um. Der Luftzug der Lawine hatte sowohl das Feuer im Herd wie auch die Petroleumlampe ausgeblasen. Noch halb betäubt tastete Jutta sich zur Tür und wollte sie aufmachen, um Licht hereinzulassen. Der Schnee lag an dieser Stelle kaum eine Handbreit hoch, und sie konnte ihn mit dem Fuß beiseiteschieben. Doch als sie öffnete, ertastete sie nur eine feste, eisige Wand.
    Rasch schlug sie die Tür wieder zu, suchte nach der Petroleumlampe und den Streichhölzern und schaffte es nach einigen bangen Augenblicken, Licht zu machen. »Was ist passiert?«
    Lore wies mit der Hand nach oben. Dort waren mehrere Bretter durchgebrochen, und man konnte durch das Loch sehen, dass einige
     der Steinplatten fehlten, mit denen das Dach gedeckt war. Es drang aber kein Licht herein. Stattdessen rieselte immer wieder
     Schnee von oben herab.
    »Wie es aussieht, sind wir verschüttet worden!«
    »Also müssen wir doch sterben!«, rief Nathalia verängstigt aus.
    Lore versuchte, sie zu beruhigen. »Solange das Dach hält, bleiben wir am Leben. Bestimmt kommen die Leute aus dem Dorf und graben uns aus.«
    »Was ist, wenn sie denken, wir wären alle tot? Dann warten sie sicher, bis der Schnee taut«, wandte Jutta ein.
    Lore trat noch einmal an die Tür. »Vielleicht können wir uns selbst ausgraben!«
    »Dann müssten wir den Schnee in die Hütte schaffen, und so viel Platz gibt es hier nicht!« Jutta suchte in einem Schubfach der kleinen Anrichte nach frischen Schwefelhölzchen. Dann kämpfte sie sich zum Herd durch, um das Feuer zu entfachen.
    Nathalia kreischte auf. »Nein, nicht den Herd anschüren! Du verbrennst den ganzen Sauerstoff in der Hütte. Unsere Lehrerin hat gesagt, man muss ersticken, wenn man in einem abgeschlossenen Raum den Kamin brennen lässt.«
    Jutta zeigte hoch zum Dach, in dem es verdächtig knirschte. »Ob wir jetzt ersticken, erfrieren oder vom Schnee erschlagen werden, wenn das Dach bricht, bleibt sich gleich«, schnaubte sie und machte sich daran, den Schnee vom Herd zu fegen. Sie wollte diesen schon wieder in Gang bringen, blickte dann aber doch in den Rauchfang und stieß einen Ruf der Erleichterung aus.
    »Ich sehe den Himmel dort oben! Der Schlot ist also nicht verschüttet.«
    »Gott sei Dank! Dann bekommen wir Luft.« Lore atmete auf und zog die verängstigte Nathalia an sich. Im nächsten Moment zuckte sie wie elektrisiert zusammen. »Wir müssen den Herd anheizen, dass er ordentlich qualmt. Dann sehen die Menschen im Tal, dass wir noch leben, und kommen herauf, um uns zu retten!«

IX.
    A ls die

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