Aprilgewitter
dazu war ihr Herr auch noch einer der beiden Direktoren einer großen Bank. Darauf waren sie stolz, und das spornte sie nun an, ihre Pflicht zu erfüllen.
Es dauerte daher nicht lange, bis Jean eintreten und mit einer formvollendeten Verbeugung melden konnte, die Droschken ständen bereit.
»Danke, Jean! Bis ich zurückkomme, solltest du zwei weitere Dienstmädchen und zwei Diener einstellen. Da ich bald aus dem Armeedienst ausscheide, wird es hier demnächst etwas lebhafter zugehen!« Fridolin lächelte dem Mann kurz zu und verließ das Haus an der Spitze der kleinen Gesellschaft, die mit ihm reisen wollte.
Am Potsdamer Bahnhof wartete eine Überraschung auf Fridolin. Kaum hatte er das Portal durchritten, schälten sich Emil von Dohnke und seine Frau aus der Masse heraus und kamen auf ihn zu.
»Ich dachte mir doch, dass Sie den nächsten Zug nehmen würden«, sagte Emil lachend und reichte ihm die Hand. »Viel Glück, und kommen Sie gesund wieder! Die Bank braucht Sie. Weder mein Schwiegervater noch ich haben Ihr Geschick, mit Geld und den Kunden umzugehen.«
Fridolin erwiderte lächelnd den Händedruck. »Jetzt stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, Emil. Sie wissen genau, dass Sie nicht schlechter sind als ich, und Herr Grünfelder ist es ebenso wenig. Wie hätte er sonst die Bank so erfolgreich aufbauen können?«
Auf Wilhelmines Gesicht erschien ein warmer Ausdruck, als sie ihren Mann und ihren Vater so gewürdigt sah. Doch sie hatte noch ein anderes Ansinnen, und so wirkte sie verlegen, als sie Fridolin ansprach. »Ich wünsche Ihnen auch alles Gute, Herr von Trettin. Sagen Sie bitte Ihrer Frau Gemahlin, wie sehr ich mich für das schäme, was ich getan habe, und wie sehr ich mich freuen würde, wenn sie mit Ihnen nach Berlin zurückkommen und ich sie Freundin nennen dürfte.« Es war Wilhelmine anzusehen, dass ihr diese Worte nicht leichtgefallen waren. Doch ein zufriedener Blick ihres Mannes und eine liebevolle Geste belohnten sie.
Emil scheint einen guten Einfluss auf sie auszuüben, dachte Fridolin und reichte ihr die Hand. »Ich danke Ihnen, Frau von Dohnke, und werde es meiner Gattin ausrichten.«
»Doch jetzt sollten Sie sich auf den Weg machen, Trettin. Sonst fährt der Zug ohne Sie ab.« Emil von Dohnke rief ein paar Dienstmänner herbei, die sich des Gepäcks der Reisegruppe annahmen und es zum Bahnsteig schafften. Nach einem letzten Händedruck folgten Fridolin, Thomas und die anderen den Männern und saßen kurz darauf in dem für sie reservierten Abteil. Die Reise in die Schweiz konnte beginnen.
V.
W aren sie in Berlin während des erwachenden Frühlings aufgebrochen, so empfing sie in den Schweizer Bergen ein eisiger Winter, und sie waren froh um die warmen Mäntel, zu denen Dorothea ihnen geraten hatte. Vom Bahnhof aus ging es mit zwei Pferdeschlitten das Tal hoch bis zu dem Dorf, in dessen Nähe Lore Unterschlupf gefunden hatte. Der Himmel hing schwer und grau über ihnen, und es schneite. Daher machte Thomas den Vorschlag, im Gasthof einzukehren und sich erst am nächsten Tag auf den Weg zu Lores Hütte zu machen.
»Ich will den Damen nach der langen Fahrt nicht am gleichen Tag einen anstrengenden Aufstieg zumuten«, setzte er mit einem zweifelnden Blick auf den schmalen, nur durch tiefe Fußspuren erkennbaren Pfad hinzu, der vom Dorf zu der Hütte hinaufführte.
Fridolin sah hinauf und schüttelte sich. In dieser Einsamkeit hatte Lore die letzten Monate verbracht. Auch das musste er auf sein Konto schreiben. Hätte er von Anfang an zu ihr gestanden und allen Gerüchten und Anfeindungen gemeinsam mit ihr getrotzt, hätte sie keinen Grund gehabt, sich in der Bergeinsamkeit zu verkriechen.
»Lore muss mich für einen selbstsüchtigen und feigen Burschen halten«, murmelte er vor sich hin.
Konrads feinen Ohren entging das nicht, und er grinste. »Gut, dass du es erkennst. Also bist du schon auf dem Weg der Besserung!« Dann klaubte er etwas Schnee auf, formte einen Ball daraus und warf ihn Fridolin an den Kopf.
Dieser wischte sich mit einer fast unbewussten Handbewegung den Schnee ab und starrte weiter nach oben. Die Hütte war noch gut zu erkennen, aber die Felswand, die direkt dahinter aufragte, verschwand in dichten, grauen Wolken.
»Ich habe kein gutes Gefühl! Ich gehe in jedem Fall heute noch hinauf.« Ohne sich um die anderen zu kümmern, stapfte Fridolin bergan.
Thomas tauschte einen kurzen Blick mit Konrad und drehte sich dann zu seiner Frau und Caroline um.
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