Aprilgewitter
Malwine von Trettin gehört?«
Fridolin sah von seiner Suppe auf und blickte sie verwirrt an. »Wie kommst du ausgerechnet auf die? Ich bin froh, wenn ich von der nichts höre und sehe. Dabei fällt mir ein, dass ich mich wieder einmal um meinen jüngeren Neffen kümmern muss. Der steckt in einer Kadettenanstalt, um zum Offizier ausgebildet zu werden. Die armen Hunde, die einmal unter seinem Kommando dienen müssen, tun mir heute schon leid!«
»Ich bin letztens Frau von Stenik begegnet. Deren Neffe war der Richter, der meinem Großvater das Gut ab- und es Ottokar zugesprochen hat. Sie nannte mich Freifrau von Schneiderin, und das kann sie nur von Malwine haben.«
»Damit magst du recht haben. Zwar besitzt jetzt ihr ältester Sohn das Gut, doch das hält sie gewiss nicht davon ab, ihr Gift zu verspritzen.«
»Wenn du August Grünfelders Frau dazu bringen könntest, mich in ihre Kreise einzuführen, wäre ich in der Lage, diesen Gerüchten entgegenzutreten«, erklärte Lore mit einer gewissen Schärfe.
Fridolin wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Es wurden Frauen mit einer weitaus dubioseren Herkunft als Lore in höheren Kreisen geduldet, nur weil sie sich einen Titel und Reichtum erheiratet hatten. Gleichzeitig empfand er ein schlechtes Gewissen, weil er sich bisher nicht besonders energisch für Lores Belange eingesetzt hatte. Doch er hatte sich in eine ärgerliche Zwangslage katapultiert, da er sich mit Hede Pfefferkorns Geld und Lores frei gewordenem Vermögen im Bankhaus Grünfelder eingekauft hatte. Dies hätte er eigentlich erst tun dürfen, wenn seine Frau im Haus des Bankiers willkommen geheißen worden wäre. Nun konnte er nicht mehr zurück, sondern musste versuchen, das Beste aus der Angelegenheit zu machen.
Da fiel ihm Grünfelders Drängen ein, sein Pflichtjahr bei der Armee abzuleisten. »Da gibt es noch eine Sache, über die ich mir dir sprechen muss. Ich bin doch nun Vizedirektor und Anteilseigner bei Grünfelders Bank. Herr Grünfelder sagt nun zu Recht, dass meine Reputation leidet, weil ich nie des Kaisers Rock getragen habe. Wenn ich für ein Jahr in eines der in Berlin stationierten Regimenter eintrete, kann ich als Leutnant der Reserve ausscheiden. Da derzeit kein Krieg droht, besteht auch keine Gefahr, dass ich ins Feld ziehen müsste.«
»Du willst zum Militär?«, rief Lore verblüfft.
»Von Wollen kann keine Rede sein. Aber wenn ich hier in Berlin Karriere machen will, bleibt mir nichts anderes übrig. Es ist doch nur für ein Jahr.«
Lore rümpfte die Nase. »Ein Jahr ist eine lange Zeit, wenn man wie ich allein zu Hause sitzen muss.«
»So schlimm wird das nicht werden«, sagte Fridolin beschwörend. »Da ich in Berlin stationiert sein werde und zudem verheiratet bin, kann ich sicher die meisten Wochenenden und auch viele Abende hier bei dir verbringen.«
»Oder bei Grünfelder!«
Lores Ausspruch ließ Fridolin den Kopf einziehen. Den Bankier durfte er tatsächlich nicht vernachlässigen. Daher würde sich die Zeit, die er bei Lore bleiben konnte, in engen Grenzen halten. Für seinen weiteren Aufstieg schien es jedoch unabdingbar, beim Militär gewesen zu sein.
»In Bremen würde es nicht ins Gewicht fallen, ob ich gedient habe oder nicht. Dort zählen andere Werte. Doch hier sind wir im Zentrum des Preußentums. Da gilt ein Mann nur dann etwas, wenn er Soldat gewesen ist.«
»Als ob es etwas Besonderes wäre, auf andere Menschen zu schießen.«
»Ich sagte doch: Derzeit herrscht Frieden! Die Wahrscheinlichkeit, dass ich je zur Waffe greifen muss, ist sehr gering.« Jetzt hob Fridolin die Stimme und vergaß dabei ganz, weshalb er dieses Thema angeschnitten hatte. Nun ging es ihm um seinen Rang als Oberhaupt der Familie. Bei Marys Schneiderladen hatte er Lore nachgeben müssen, und das wollte er nicht noch einmal tun.
Lore maß ihn mit einem Blick, der weniger spöttisch als traurig war. »Ein Jahr, sagst du, musst du dienen, um als Offizier entlassen zu werden?«
»Ja, mehr Zeit braucht es nicht!«
»Nun, dann wundert es mich, dass einfache Soldaten drei Jahre beim Heer bleiben müssen, die Männer aber, die sie in der Schlacht anführen, nur ein Jahr. Ist nun der preußische Offizier so klug und der gemeine Mann so dumm? Oder müssen die Herren Leutnants der Reserve nicht so viel wissen?«
Fridolin ärgerte sich über Lores Spott. Immerhin ging es um seine Karriere und damit um ihre gemeinsame Zukunft. Im Grunde tat er das alles doch auch für sie. Wenn er sie
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