Aprilgewitter
an ihm vorbei, denn er erwartete, Grünfelder in dessen Kielwasser zu sehen. Dann aber richtete Anton das Augenmerk ganz auf seinen Gast. »Einen schönen guten Abend, Herr von Trettin. Sie wollen sich heute wohl allein amüsieren?«
»Guten Abend, Anton. Ist Hede hier?«
Nach Amüsieren klang das nicht gerade, schoss es dem Portier durch den Kopf. Aber ein paar Gläser Wein und ein hübsches Mädchen würden seinen Ärger schon vertreiben. Daher lächelte er und wies auf Fridolins Jackett. »Ich glaube, ich sehe ein paar Staubflusen. Ich hole rasch meine Bürste!«
Gegen seinen Willen musste Fridolin lächeln. Anton würde sich nicht mehr ändern. Er blieb stehen, bis dieser zurückkam und den Kragen seines Rocks mit der Bürste behandelte. Noch ein Bürstenstrich über den Rücken, dann durfte er eintreten.
An diesem Abend hatten die meisten Mädchen ihre Kunden gefunden und sich mit diesen in die Separees zurückgezogen. Als Fridolin sah, dass Hede nicht im Salon war, ging er zur Tür ihres Büros und klopfte. Nach ihrem »Herein« trat er ein und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
»Hallo, Fridolin! Das ist aber eine Überraschung. So schnell hatte ich dich nicht wieder erwartet. Was gibt es?«, begrüßte ihn Hede. Dann sah sie seine angespannte Miene und richtete sich erschrocken auf. »Ist etwas mit der Bank und meinem Geld?«
Fridolin schüttelte den Kopf. »Nein, damit ist alles in Ordnung. Ich … ich bin nur gekommen, weil ich jemanden brauche, mit dem ich reden kann.«
»Ich höre dir gerne zu. Trink erst einmal einen Cognac, und dann gehen wir in mein Schlafzimmer. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Männer leichter reden können, wenn sie sich vorher ein wenig entspannt haben!«
Hedes Worte erinnerten Fridolin daran, dass sich, seit er das letzte Mal mit ihr im Bett gewesen war, nichts mehr mit Lore abgespielt hatte. Nun schämte er sich und hätte ihr Angebot am liebsten abgelehnt. Dann aber sagte er sich, dass Lore selbst daran schuld war, wenn sie ihn mit ihrer schlechten Laune und ihren Vorwürfen vertrieb.
Er trank den Cognac, den Hede ihm eingeschenkt hatte, und wollte sie küssen. Doch sie drehte das Gesicht weg, so dass sein Mund nur ihre Wange und nicht ihre Lippen traf.
»Wir sollten nicht so tun, als wären wir ein Liebespaar«, wies sie ihn leise, aber bestimmt zurecht. »Ich mag dich, und du bist einer der wenigen Männer, die ich in mein Bett lasse, aber mehr darf es nicht geben. Immerhin bist du verheiratet, und ich will nicht zwischen dir und deiner Frau stehen. Fast wäre es besser, ich würde dich heute zu einem der Mädchen schicken und mir hinterher anhören, was du zu sagen hast.«
»Es geht um Lore!«, antwortete Fridolin gepresst. »Seit wir hier in Berlin leben, funktioniert es nicht mehr zwischen uns. Sie fühlt sich einsam, weil sie hier keine Bekannten hat, und Grünfelders Ehefrau weigert sich wegen einiger Gerüchte, die über Lore in Umlauf sind, sie zu empfangen.«
Hede begriff, dass mehr dahinterstecken musste, und gab den Gedanken auf, Fridolin einer ihrer Huren anzuvertrauen. Diese Angelegenheit musste mit Diskretion behandelt werden. Daher führte sie Fridolin in ihr Schlafzimmer und zog sich langsam aus. Sie zählte zwar einige Jahre mehr als ihre Mädchen, stach aber die meisten von ihnen mit ihrem glatten Gesicht und ihrer guten Figur noch immer aus. Fridolin hätte aus Stein sein müssen, um dem sinnlichen Reiz zu widerstehen, der von ihr ausging. Als sie nackt vor ihm stand und an seiner Kleidung nestelte, spürte er den Drang, sie zu besitzen, fast wie einen körperlichen Schmerz.
Da Hede erfahren genug war, um ihn zu lenken, gestalteten sich die nächsten Minuten auch für sie zufriedenstellend. Während sie unter ihm lag und ihre Lust durch leises Stöhnen verriet, freute sie sich, dass er sie auf jene sanfte Weise liebte, die sie ihm vor Jahren beigebracht hatte. Das unterschied ihn von jenen, die im Bett nur ihr eigenes Vergnügen suchten. Wenn seine Frau keines von den Weibern war, für die bereits der Gedanke an Geschlechtsverkehr etwas Unziemliches bedeutete, musste sie in dieser Hinsicht mit ihm zufrieden sein. Dann verscheuchte sie diese Gedanken und gab sich ganz dem Vergnügen hin, das sie mit Fridolin teilte.
Als er befriedigt neben ihr lag, zog sie mit der Spitze des Zeigefingers eine Linie von seinem Hals bis zu seinen Schamhaaren
und bedauerte, dass ihre Wege so unterschiedlich verliefen und sie nicht auf mehr hoffen konnte
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