Aprilgewitter
unseren Lebensunterhalt sowie für einen Arzt, der nach Mama schaut.«
Leutnant von Trepkow machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wird schon nicht so schlimm um euch stehen. Meckert die olle Zicke, der diese Hütte hier gehört, sag ihr einfach, sie bekommt die Miete, wenn Mama ihre nächste Rente erhält. Ich kann auf diese Summe nicht verzichten. Kostet verdammt viel, Leutnant Seiner Majestät, des Königs und Kaisers, zu sein!«
»Also Caroline, es ist wirklich nicht recht von dir, deinen armen Bruder so zu bedrängen. Er leidet doch am heftigsten unter den Umständen, die uns beide zwingen, in diesem entsetzlichen Zimmer zu hausen. Wäre unser Gut nicht verlorengegangen, könnte er glücklich und zufrieden leben. So aber hat er nur Kummer und Sorgen! Die solltest du nicht noch mehren.«
Friedrich nickte so selbstgefällig, dass Caroline ihn am liebsten geohrfeigt hätte. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, dass die Mutter nicht nur an ihren Sohn, sondern auch an sich selbst, an sie und an die alte Fiene denken sollte. Sie drei würden wegen der guten Sachen und des Weines, die für ihren Bruder gekauft worden waren, die nächsten Wochen von Pellkartoffeln mit Stippe leben müssen, falls die Besitzerin der Wohnung sie nicht ohnehin wegen der unbezahlten Miete aus dem Haus warf. An einen Arzt, den die Mutter dringend benötigte, war gar nicht erst zu denken.
Für einen Augenblick überlegte sie sich, ob sie Mary oder Lore um eine kleine Summe bitten sollte, schüttelte dann aber resolut den Kopf, denn sie wollte nicht auch noch zur Bettlerin werden.
Als der Bruder schließlich ging, streckte sie ihm fordernd die Hand entgegen. »Gib mir wenigstens das Geld für den Arzt. Du siehst doch, wie krank Mama ist!«
Friedrich von Trepkow lachte jedoch nur und schritt leichtfüßig davon.
XI.
A ls Lore an diesem Abend nach Hause kam, wartete zu ihrer Überraschung Fridolin bereits auf sie. Er saß in dem Zimmer, das sie als gemeinsamen Salon eingerichtet hatten, und las in einer Ausgabe der Zeitschrift »Der Soldatenfreund«.
Bei Lores Eintreten hob er den Kopf und sah sie lächelnd an. »Du bist wohl bei Mary gewesen?«
»Ja. Ich will hoffen, du hast nichts dagegen, wenn ich sie wieder öfter besuche?« In Lores Stimme schwang eine Warnung mit, es ja nicht zum Streit kommen zu lassen.
»Natürlich habe ich nichts dagegen. Ich freue mich doch, wenn du mit Mary reden kannst. Sie ist eine kluge Frau und Konrad unser bester Freund.«
»Gut, dass du das auch so siehst!« Ein zufriedener Ausdruck huschte über Lores Gesicht.
»Hier ist übrigens ein Brief für dich, den der Postbote gebracht hat. Er kommt von Nathalia!«, fuhr Fridolin fort.
»Von Nati!«, rief Lore freudig und riss ihrem Mann das Kuvert aus der Hand. Sie nahm sich nicht die Zeit, einen Brieföffner zu holen, sondern schlitzte den Umschlag mit dem Daumennagel auf und zog den Brief heraus.
Das Schreiben war erstaunlich lang und berichtete von Nathalias Leben im Schweizer Internat. Sie gab einige bissige Kommentare zu Mitschülerinnen zum Besten, die ihrer Ansicht nach entweder dumm oder aufgeblasen waren und Scherzen, wie ihren Lehrerinnen tote Ratten oder lebende Frösche in die Betten zu schmuggeln, nichts abgewinnen konnten. Dafür gab Nathalia stolz zu verstehen, dass sie diese Streiche trotzdem gemacht und die unweigerliche Strafe stoisch ertragen habe.
Lore lachte immer wieder auf. Wie es aussah, hatte ihre kleine Freundin sich nicht geändert, sondern schien in der Schweiz eher noch zu einigen Unarten zurückgekehrt zu sein, die Dorothea Simmern und sie überwunden geglaubt hatten.
»Ich weiß nicht, ob dieses Internat für Nathalia das Richtige ist«, sagte sie zu Fridolin. »Sie ist zu lebhaft für ein steif geführtes Haus, in dem selbst die gemeinsamen Spaziergänge in Reih und Glied stattzufinden haben.«
»Ich glaube, es tut Nathalia ganz gut, Disziplin zu lernen. Du und Dorothea, ihr habt sie zu sehr verwöhnt!« Fridolins amüsiertes Schmunzeln nahm seinen Worten die Schärfe. Im Grunde mochte er Nathalia von Retzmann gerne, wusste aber, dass diese ihr überschäumendes Temperament zügeln lernen musste, wenn sie nicht überall anecken wollte.
Das war auch Lore klar, und sie beschloss, Nathalia in ihrem Antwortbrief zu bitten, sich besser zu benehmen. Nun aber las sie weiter und stieß kurz darauf einen Jubelruf aus.
»Nati schreibt, dass sie uns in den Ferien besuchen will. Natürlich muss sie auch nach Bremen zu
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