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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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sie dem Pfandleiher anbieten zu können. Für das meiste würde sie nur ein paar Groschen erhalten und musste beten, dass es für die Miete reichte. Dabei hätte sie auch einmal gerne etwas anderes zum Essen gekauft als Kartoffeln. Plötzlich verspürte sie einen Heißhunger auf einen simplen Salzhering, der ihr die Kartoffelmahlzeiten ein wenig erträglicher machen würde, schob die eigenen Bedürfnisse jedoch sofort beiseite. Wenn sie mehr Geld erhielt, als sie hoffte, musste sie dafür Medizin für ihre Mutter kaufen. Lieber noch wäre ihr gewesen, sie hätte einen Arzt rufen können. Doch für Gotteslohn kam keiner, und so überlegte sie, ob sie die Brosche nicht heimlich an sich nehmen sollte, wenn die Mutter schlief. Sie kannte diese jedoch gut genug, um zu wissen, dass sie ihr das Schmuckstück in der nächsten Zeit mindestens einmal am Tag zeigen musste.
    Caroline seufzte. Wie es aussah, würde sie sich das Geld für den Arzt von ihrem Nählohn zusammensparen müssen. Aber die Mutter durfte von nun an nicht mehr erfahren, an welcher Stelle sie ihr Geld verbarg. Sonst würde sie es Friedrich bei seinem nächsten Besuch zustecken oder ihm Wein und teure Delikatessen besorgen lassen, von denen sie selbst nicht einmal mehr wusste, wie sie schmeckten.
    Mit dem Gefühl, dass es nicht viel weiter mit ihr bergab gehen konnte als an diesem Tag, packte Caroline die Tasche und verließ nach einem kurzen Gruß das Zimmer.

XIII.
    F ür Lenka war es einer der angenehmeren Abende. Bankier Grünfelder hatte sie für die ganze Nacht bezahlt, und er war keiner jener Freier, die einer Hure ihre Manneskraft beweisen wollten. Im Grunde forderte er von ihr nicht mehr, als auch seine Frau im Ehebett zu geben bereit war. Während sie unter ihm lag und darauf achtete, ihm das Vergnügen zu verschaffen, das er sich erhoffte, dachte sie daran, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn ihre Eltern sie nicht leichtgläubig einer Puffmutter überlassen hätten. Wahrscheinlich würde sie daheim bei der Feldarbeit helfen, wäre verheiratet und bereits Mutter.
    Manchmal sehnte sie sich so sehr nach einem Kind, dass sie beinahe hoffte, einer der Männer, der sie bestieg, würde sie schwängern. Gleichzeitig aber war sie Hede Pfefferkorn dankbar, weil sie dafür Sorge trug, dies nach Möglichkeit zu verhindern. Ihre Chefin achtete genau auf den monatlichen Blutfluss ihrer Mädchen und bestimmte die Tage, an denen sie nicht arbeiten durften. Außerdem kannte sie einen Apotheker, der unter der Hand Mittel verkaufte, die dafür sorgten, dass so ein Malheur nicht geschehen konnte oder schlimmstenfalls rasch beseitigt wurde.
    Das Keuchen des Bankiers riss sie aus ihrem Sinnieren, und sie bemühte sich, so zu tun, als empfinde auch sie Lust. Dabei hatte sie das Gefühl, er stochere nur in ihr herum. Um sich abzulenken, dachte sie an den Zeitungsausschnitt, den sie im Schrank unter ihren Sachen verborgen hatte. Dort stand, dass aufrechte Männer in Kanada brave Ehefrauen suchten, mit denen sie Familien gründen und das Land erschließen konnten. Nun war sie selbst alles andere als eine brave Frau, doch sie träumte von einem Leben, in dem sie nur mit einem Mann das Bett teilen musste, und von Kindern, die sie ihre Vergangenheit als Prostituierte vergessen lassen würden.
    In Preußen und im restlichen Deutschland war dies unmöglich, dafür sorgten die amtlichen Einträge in ihren Papieren. Doch jenseits des großen Teichs in der Wildnis von British Columbia mochte es ihr gelingen. Dafür sparte sie jeden Pfennig. Das Geld verbarg sie sorgfältig vor diebischen Elstern wie Elsie. Noch ein Jahr, vielleicht auch zwei, und sie besaß genug, um auf diese Zeitungsannonce antworten und die weite Reise antreten zu können.
    Lenka fragte sich, wie es sein würde, wenn sie mit einem Ehemann im Bett lag. Wäre es so wie hier, mit einem Gefühl des Ekels und dem Gedanken, nur eine menschliche Stute zu sein, an der der Mann seinen Trieb auslebte? Dabei träumte sie von ein wenig Zärtlichkeit, von lieben Worten und einer Hand, die die ihre hielt. Dafür, so sagte sie sich, wollte sie gerne das Zusammensein im Bett ertragen und hoffentlich sogar ein wenig Lust mit ihrem Mann teilen.
    Diese Vorstellung drängte sich so intensiv in ihre Gedanken, dass sie ein leichtes Ziehen im Unterleib spürte und im selben Augenblick, in dem der Bankier erschöpft auf ihr zusammensank, zur Erfüllung kam. Das hatte sie noch nie erlebt, und sie nahm es als Beweis, dass ihr Leib trotz

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