Aprilgewitter
auch einen echten Freiherrn als Ehemann gewonnen haben.
XII.
C aroline von Trepkow blickte ihre Zimmerwirtin flehentlich an. »Sie werden die Miete bekommen, sobald Mama ihre nächste Rente erhält, Frau Granzow. Nur jetzt können wir sie nicht bezahlen.«
»Nichts da! Da könnte ja jeder kommen und mir die Miete schuldig bleiben. In fünf Tagen will ich das Geld sehen, sonst setze ich Sie auf die Straße. Immerhin haben Sie meinen besten Salon in Beschlag genommen, den ich jeden Tag fünfmal vermieten könnte, und das für weitaus mehr Geld, als ich von Ihnen bekomme.«
Es drängte Caroline, der Frau zu sagen, was sie von dem sogenannten besten Salon hielt. Das Zimmer war zwar recht groß, aber mit einem schmalen Fenster nur ein dunkles Loch. Toilette, Bad und Küche lagen am anderen Ende des langen Flurs, und diese mussten sie nicht nur mit der Hausherrin, sondern auch mit den anderen Mietern teilen. Wahrlich keine Umgebung, in der es sich gut leben ließ. Vor allem ihre Mutter hatte in dem düsteren Gelass keine Chance, sich zu erholen und gesund zu werden. Nicht zum ersten Mal verfluchte sie den Egoismus ihres Bruders, der sich rücksichtslos alles Geld unter den Nagel gerissen hatte und es ihr überließ, mit der übellaunigen Hauswirtin zu verhandeln.
Da sie in den nächsten fünf Tagen kein Wunder erwartete, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als die wenigen Besitztümer, die ihnen noch geblieben waren, zum Pfandleiher zu tragen. Sie wischte sich über die feucht werdenden Augen und musterte ihre Vermieterin mit all dem Stolz, den sie als Nachfahrin einer altadeligen Sippe aufzubringen vermochte. »Sie werden Ihr Geld in fünf Tagen erhalten, Frau Granzow!«
»Ab dem nächsten Monat werden Sie drei Mark mehr bezahlen! Wie ich schon sagte, habe ich bereits neue Mieter in der Hinterhand und will durch meine Gutmütigkeit Ihnen gegenüber keinen Verlust erleiden!« Damit drehte sich die Zimmerwirtin um.
»Auf Wiedersehen, Frau Granzow!« Es tat der jungen Frau in der Seele weh, diesen Drachen höflich behandeln zu müssen, aber sie hatte keine andere Wahl. Zudem schmerzten sie die drei Mark. In einer Zeit, in der ein Handwerksmeister froh sein konnte, wenn er hundert Mark im Monat heimtrug, von denen er sich und seine vielköpfige Familie ernähren musste, war diese Mieterhöhung Wucher.
Mit müden Schritten kehrte sie in ihr Zimmer zurück, drehte die Gaslampe höher und begann, den alten Schrank, den sie von ihrem Gutshaus hatten mitnehmen dürfen, nach verwertbaren Dingen zu durchsuchen.
Als Erstes holte sie die chinesische Vase heraus, in der sie ihr Geld verwahrt hatten. Jetzt würde sie diese selbst zu Geld machen müssen. Andere Dinge folgten, zumeist kleine Erinnerungsstücke an eine schönere Zeit. Zuletzt nahm Caroline ein kleines Lackkästchen an sich, von dem sie hoffte, es würde auch ein paar Mark bringen. Wertvoller war jedoch der Gegenstand, der darin geborgen lag. Es handelte sich um das letzte Schmuckstück in ihrem Besitz. Da es aus dem Erbe ihrer Mutter stammte, war es nicht der Zwangsversteigerung anheimgefallen.
Als ihre Mutter sah, dass sie die Brosche zu den anderen Sachen in die Tasche stecken wollte, schrie sie auf. »Nein, Caroline! Nein! Dieses Schmuckstück darfst du unter keinen Umständen verkaufen. Es ist das Einzige, das mir von meiner Familie geblieben ist, und für dich bestimmt. Meine Großmutter hat es bei ihrer Hochzeit getragen, dann meine Mutter und schließlich ich. Auch du musst es an diesem Tag tragen.«
Caroline lag bereits die Frage auf der Zunge, wie sie in ihrer erbärmlichen Lage einen standesgemäßen Ehemann finden sollte. Von ihrem Bruder hatte sie keine Unterstützung zu erwarten, da dieser seinen Regimentskameraden verschwieg, wie sie hier leben mussten. Angesichts der Schwäche ihrer Mutter schluckte sie ihren Unmut jedoch hinunter und wandte sich lächelnd zu ihr um.
»Aber Mama, ich verkaufe das Schmuckstück doch gar nicht. Ich will es nur versetzen und später wieder auslösen.«
Frau von Trepkow durchschaute die Lüge. »Nein, das darfst du nicht! Tu die Brosche wieder zurück. Sie wird nicht verkauft und auch nicht verpfändet. Wenn ich tot bin, wird sie dir gehören, und dann wirst du mir dankbar sein, dass ich dich von diesem unbedachten Schritt abgehalten habe.«
Um ihre Mutter nicht noch mehr aufzuregen, legte Caroline die Brosche in den Schrank zurück und musterte die übrigen Dinge, die ihr als wertvoll genug erschienen, um
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