Aprilgewitter
Dorothea und Thomas fahren, doch in den ersten Wochen will sie hier bleiben und mit mir zusammen Berlin erkunden. Sie war nur einmal als kleines Kind hier und hat keine Erinnerung mehr an diese Stadt.«
»Zumal sich Berlin in den letzten Jahren rasant verändert hat«, warf Fridolin ein und fasste dann nach Lores Hand. »Ich freue mich, dass Nathalia dich besuchen kommt. Um die Zeit will ich nämlich mein Freiwilligenjahr beim Heer antreten. Dann bist du nicht so allein.«
Da Lores Stirn sich umwölkte, sprach er schnell weiter. »Ich werde in das Zweite Garde-Ulanen-Regiment eintreten. Das habe ich heute mit Oberst von Scholten, dem Kommandeur, besprochen. Er ist ein angenehmer Mensch, ganz und gar nicht so, wie man sich einen alten Haudegen vorstellt. Er und mein Vater haben im selben Regiment gedient, und beide haben am Sturm auf die Düppeler Schanzen teilgenommen. Bis auf die ersten vier Wochen, die ich in der Kaserne verbringen muss, hat er mir erlaubt, zu Hause zu wohnen. Auch meinte er, da ich kein pickeliger Primaner mehr wäre, sei es wohl am besten, wenn ich gleich im Range eines Kornetts in sein Regiment eintreten würde. Nach einem halben Jahr werde ich zum Unterleutnant befördert und schließlich als Premierleutnant der Reserve entlassen.«
»Wie ich sehe, beschäftigst du dich bereits mit dem Militär«, sagte Lore und wies auf die Zeitschrift, die er in der Hand hielt.
»Ich will nicht als heuriger Hase in die Kaserne kommen. Daher habe ich den ›Soldatenfreund‹ abonniert. Aber freust du dich denn nicht, dass ich elf Monate meiner Militärzeit hier bei dir schlafen kann?«
Lore rümpfte die Nase. »Ich würde mich mehr freuen, müsste ich dich in der Zeit nicht mit Grünfelder teilen. Doch wie ich dich kenne, wirst du fast jeden Tag bei ihm in der Bank oder in seiner Villa sein.«
»Mein Liebling, ich werde schon darauf achten, dass du nicht zu kurz kommst. Außerdem hoffe ich, dich den Damen des Regiments vorstellen zu können. Die sind bestimmt nicht so borniert wie die neureichen Grünfelder-Damen.« Für einen Augenblick überlegte Fridolin, ob er Lore von seinem Verdacht berichten sollte, Malwine von Trettin könnte hinter den üblen Gerüchten stecken. Da er ihre Abneigung gegen die angeheiratete Verwandte jedoch kannte, befürchtete er, seine Frau würde Malwine aufsuchen und den Skandal durch einen heftigen Streit erst richtig anfachen. Daher schob er diesen Gedanken beiseite und kam erneut auf Nathalia zu sprechen.
Während das Paar friedlich zusammensaß und insgeheim die wiedergefundene Harmonie genoss, musste Jutta sich in der Küche gegen Neles und Jeans Vorwürfe zur Wehr setzen. Die beiden ärgerten sich, weil sie die letzten Stunden allein hatten arbeiten müssen, dabei war nicht einmal das Abendessen vorbereitet.
Als Jutta das Gejammer der beiden zu viel wurde, packte sie einen Kochlöffel und schlug damit auf den Tisch. »Seid jetzt still! Wenn die gnädige Frau mich auffordert, sie zu begleiten, habt ihr das nicht zu kritisieren. Es ist meine Pflicht, mit ihr zu kommen, und die eure, dafür zu sorgen, dass hier alles seinen geregelten Gang geht. Aber wenn ich mich so umsehe, habt ihr euch nicht gerade ein Bein ausgerissen. Und jetzt geht endlich an die Arbeit! Wenn das Abendessen nicht rechtzeitig auf den Tisch kommt, wird die gnädige Frau zu Recht zornig sein.«
»Pah, die Schneiderin soll sich nicht so haben«, sagte Nele bissig und quiekte im nächsten Moment auf, weil Jutta ihr mit dem Kochlöffel einen Schlag auf den Po versetzt hatte.
»Ich sagte, ich will hier keine Schmähworte mehr hören! Weder über den gnädigen Herrn noch über die gnädige Frau oder sonst wen. Und jetzt rühr gefälligst die Spargelsuppe. Wasche aber vorher den Kochlöffel ab. Dein Hintern ist mir zu schmutzig!«
»Das ist …«, fuhr Nele auf.
Doch Jutta baute sich wie ein Engel mit Flammenschwert vor ihr auf. »Noch ein Wort, und ich sage der Gnädigen, dass sie dich rauswerfen und ein neues Dienstmädchen einstellen soll!«
»Du bist so etwas von gemein!«, schluchzte Nele, machte aber, dass sie an die Arbeit kam.
Jean erinnerte sich daran, dass er ja der Diener war und mit der Küche nichts zu tun hatte. Daher fand Fridolin am nächsten Morgen seine Schuhe geputzt vor, ohne dass er dies Jean extra hatte auftragen müssen. Lores Schuhe hingegen ließ der Diener unbeachtet stehen, denn er sah es unter seiner Würde an, die Schuhe einer einfachen Schneiderin zu putzen, mochte diese
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