Aprilgewitter
sind: Er lebt immer noch in Berlin, sucht aber meist ein anderes Etablissement auf und lässt sich nur hie und da mit Freunden im
Le Plaisir
blicken. Allerdings frage ich mich, ob er nicht auch zu jenen gehört, die dich und Lore verleumden. Nur aus einer Richtung können diese Gerüchte nicht kommen.«
»Da könntest du recht haben, Hede«, erklärte Fridolin nach kurzem Nachdenken. »Doch wenn dem so ist, werden Herr von Kanter und ich uns bald wieder über den Lauf der Pistolen hinweg betrachten, und diesmal werde ich genauer zielen!«
Hede schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich halte es für besser, diese Sache ohne den Knall von Schüssen und Pulverdampf zu lösen! Damit würde der Skandal nur noch weiter angefacht. Einer meiner Kunden berichtete letztens, Baron Kanters Vermögensverhältnisse befänden sich in einer gefährlichen Schieflage. Als Bankier müsstest du mehr erfahren und es vielleicht zu deinen Gunsten ausnützen können.«
»Danke, Hede! Ich werde mich um Kanter kümmern. Aber das klingt ja so, als schliefest du mit mehreren Männern?« In Fridolins Stimme schwang ein Hauch von Eifersucht, für den er sich selbst schämte. Hede war eine freie Frau und konnte tun und lassen, was sie wollte.
»Ich schlafe mit weniger als fünf Männern im Jahr, dich eingeschlossen.« Hede klang amüsiert, doch Fridolin verstand die Warnung, sie nicht als seinen Besitz zu betrachten.
»Und wie oft schläfst du mit diesen Männern?«, fragte er dennoch.
»Das bleibt mein Geheimnis, lieber Fridolin. Im Übrigen sind die Herren für mich wichtig, denn sie sind mir bei verschiedenen Gelegenheiten behilflich, ebenso wie einige andere, die sich dafür eines meiner Mädchen aussuchen können. Du bist der Einzige, der mich ohne Lohn lieben darf. Ich mag dich nämlich …« Das ›und auch deine Frau‹ verschluckte Hede gerade noch rechtzeitig, Fridolin sollte nicht erfahren, dass sie Lore kennengelernt hatte. Da noch immer kein Wein gebracht worden war, rief sie noch einmal nach Elsie.
Diese kam missmutig herein und stellte eine Flasche auf den Tisch. »Ich bin ja schon da!«
»Wo sind die Gläser? Oder glaubst du, wir trinken aus der Flasche?«, fragte Hede gereizt. Sie hatte ihre Mädchen immer wieder angewiesen, ihre Pflichten zuverlässig zu erfüllen.
»Die bringe ich gleich«, sagte Elsie und verschwand wieder.
Hede sah ihr kopfschüttelnd nach. »Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich diesen Trampel nicht zum Teufel jage. Sie hätte es verdient, in einem Soldatenpuff zu arbeiten, vor dem die Männer Schlange stehen! Nur sind Mädchen, die für ausgefallenere Wünsche zur Verfügung stehen, leider dünn gesät.«
Da Elsie gerade mit zwei Gläsern zurückkam, hatte sie die letzten Worte gehört, und ein hasserfüllter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Irgendwann würde sie Hede Pfefferkorn all die Demütigungen heimzahlen, die sie hier ertragen musste. Mehr denn je bedauerte sie, dass sie dabei ertappt worden war, als sie eine der anderen Huren hatte bestehlen wollen. Damals hatte sie Hede und dieses Mädchen auf Knien angefleht, sie nicht den Schutzleuten zu übergeben. Da bereits zwei Diebstähle in ihren Akten vermerkt waren, wäre sie für etliche Jahre hinter Gitter gewandert und hätte nach ihrer Entlassung gerade noch die Wahl zwischen dem Armenhaus oder einem auf unterster Stufe angesiedelten Bordell gehabt. So hegte sie immer noch die Hoffnung, ihr Schicksal wenden zu können.
Das minderte aber nicht ihren Hass auf Hede und ihre Mädchen, denn zur Strafe war sie auf den letzten Platz der internen Rangliste gesetzt worden. Nun musste sie die anderen Huren und deren Gäste bedienen und wurde immer gerufen, wenn Dinge verlangt wurden, die Lenka und die meisten anderen empört zurückwiesen.
»Du kannst die Flasche öffnen und einschenken!«, befahl Hede.
Elsie gehorchte und leckte sich die Lippen, als der Wein in die Gläser floss. Wenn sie die Kunden ihrer Kolleginnen bediente, zweigte sie immer wieder etwas Wein oder Naschereien für sich ab. Diesmal aber war dies nicht möglich. Dabei trank Hede einen Wein, der auch dem Reichskanzler Bismarck oder Kaiser Wilhelm geschmeckt hätte. Ein Klopfen durchbrach ihre Gedanken.
»Herein«, rief Hede.
Hanna öffnete die Tür, mit nichts anderem am Leib als dem Duft ihres Parfüms. »Verzeihen Sie, gnädige Frau, aber der russische Fürst wünscht sich einen Hintern, den er bearbeiten kann, sonst kommt er nicht richtig in Hitze!« Der Blick der Hure
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