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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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einmal an.
    Nein, sie weiß nichts, sagte Hede sich und war erleichtert. Gewiss war es besser, wenn Lore von Trettin nichts von den Ausflügen ihres Mannes ins
Le Plaisir
erfuhr.
    Im Anprobezimmer raffte Mary rasch ein paar Modezeitschriften zusammen und reichte sie Lore. Danach holte sie das Kleid, das Hede bestellt hatte, benötigte dann aber Lores Hilfe, um es ihrer Kundin anziehen zu können. Dies war ihr so peinlich, dass sie am liebsten im Fußboden versunken wäre.
    »Es tut mir so leid, Frau von Trettin, aber meine Näherinnen kommen erst in einer halben Stunde, und so lange will ich Frau Pfefferkorn nicht warten lassen. Wenn Sie vielleicht hier kurz halten könnten.«
    »Gerne!« Lore trat neben sie und griff vorsichtig nach dem Stoff. Dabei musterte sie Hede, die im Unterrock vor ihr stand. Sie hatte eine gute Figur mit einem festen Busen, würde aber einmal zur Hagerkeit neigen und den Falten um die Augen und die Mundwinkel mit dicker Schminke zu Leibe rücken müssen. Trotzdem war sie eine attraktive Frau, die auch weiterhin Männer in ihren Bann schlagen würde.
    Zu ihrer eigenen Überraschung war es Hede unangenehm, so entblößt vor der Frau ihres alten Freundes zu stehen. Dabei hätte sie diese selbst einmal gerne im Unterrock oder vielleicht sogar nackt gesehen. Bekleidet schien sie ohne Fehl und Tadel zu sein, und ihr war nun klar, dass Fridolin sie tatsächlich nicht nur aus Mitleid geheiratet hatte. Seine Gattin verfügte noch über den Schmelz der Jugend, der sie selbst bereits verlassen hatte, und war trotz ihrer Größe wohlgeformt. Obwohl Hede sich selbst nicht für klein hielt, reichte sie Frau von Trettin nur bis an die Nasenwurzel. Bis jetzt hatte sie größere Frauen immer für ein wenig ungelenk erachtet, doch nun musste sie diese Meinung revidieren.
    »Das Kleid sitzt wie angegossen!« Marys Bemerkung beendete die gegenseitige Musterung und erinnerte sowohl Lore wie auch Hede daran, weshalb sie gekommen waren. Etwas unsicher lächelnd betrachtete Hede sich im Spiegel und schnaufte vor Überraschung. Ihre früheren Schneiderinnen hatten ihre Kleider oft nachlässig gefertigt, als wäre sie es nicht wert, dass man sich ihretwegen Mühe gab. Doch Mary Penn hatte auf jeden ihrer Wünsche Rücksicht genommen, und die Näharbeit war erste Qualität.
    »Es ist wunderschön!«, rief sie begeistert.
    So hätte Lore das Kleid nicht bezeichnet, denn ihr erschien es zu streng. Es verbarg Hedes gutes Aussehen, anstatt es zu unterstreichen. Doch es passte ihr tatsächlich ausgezeichnet.
    »Wäre es möglich, dass Sie mir noch zwei weitere Kleider dieser Art nähen, Mrs. Penn? Eines in einem sehr dunklen Blau und eines in einem ebenfalls dunklen Rot«, fragte Hede.
    »Das Rot darf nicht zu dunkel sein, sonst wirken Sie zu düster!« Diesen Kommentar mochte Lore sich nicht verkneifen.
    »Auch das Blau darf nicht zu dunkel oder zu matt sein«, setzte Mary hinzu und brachte mehrere Stoffmuster heran.
    Hede sah die leuchtenden Farben und wünschte sich, sich darin kleiden zu können. Doch solange sie die Prinzipalin des
Le Plaisir
war, durfte sie sich das nicht erlauben. Ihren Mädchen würden diese Stoffe stehen, aber Kleider in der Art, wie diese sie trugen, konnte sie nicht in einem angesehenen Modesalon nähen lassen.
    Sie einigten sich auf ein sanftes Kornblumenblau und ein Bordeauxrot. Dann musste Hede sich beeilen, den Laden zu verlassen, denn schon bald würde die erste vornehme Kundin erscheinen, und von dieser durfte sie nicht gesehen werden.
    Auch Lore verabschiedete sich, winkte einem Droschkenkutscher und ließ sich zu Marys Wohnung fahren. Dort verbrachte sie den restlichen Vormittag damit, die Bluse der russischen Gräfin genau nach Vorlage mit feinen Stickereien zu versehen.

XVI.
    M arys Bitte, Lore in die Stadt zu begleiten, stürzte Caroline von Trepkow in Gewissensbisse. Am liebsten hätte sie die Zeit genutzt, um zu nähen und damit das Geld zu verdienen, mit dem sie Lebensmittel kaufen konnte. Zum anderen verlockte es sie, wieder einmal Dinge zu tun, die einer jungen Frau wie ihr angemessen waren.
    »Ich weiß nicht, ob ich die Bluse, die ich als Nächstes nähen soll, dann noch rechtzeitig fertigbringe«, sagte sie in dem schwächlichen Versuch, sich Marys Wunsch zu widersetzen.
    »Ich habe ein wenig Zeit und kann die Vorarbeiten machen. Damit wären Sie entlastet!« Trotz aller Freundlichkeit klang Mary drängend. Sie kannte Lore und wusste, dass diese auch alleine ausfahren würde,

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