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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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der anderen Seite. Letzterer blühte sichtlich auf, weil eine so schöne Dame sich nicht zu schade war, seine Klagen über die neuen Steuern, die kaum mehr aufzubringen waren, und die Renitenz seiner Knechte und Mägde anzuhören.
    »Früher war alles besser. Da wussten die Leute, wo sie hingehörten. Doch wenn ihnen heute etwas nicht passt, verlassen sie die Güter und gehen in die Stadt, um für Leute wie Rendlinger zu arbeiten. Wo aber kommt die Welt noch hin, wenn die Felder nicht mehr bestellt und die Kühe nicht mehr gemolken werden?«, erklärte er mit verbissener Miene.
    Lore nickte freundlich, ohne darauf zu antworten. Von Gregor Hilgemann hatte sie erfahren, in welch elenden Verhältnissen jene Arbeiter hausten, die in den wie Pilze aus dem Boden schießenden Fabriken schufteten. Die Tatsache, dass die Menschen dieses Schicksal auf sich nahmen, verriet ihr, wie schlecht die Bedingungen auf dem Land sein mussten. Zudem hatte sie selbst miterlebt, wie etliche Gutsherren in Ostpreußen ihr Gesinde behandelten. Wer da nicht rasch genug die Mütze in der Hand hielt, musste mit einem Hieb mit der Reitpeitsche rechnen.
    Da ihr Nachbar erschöpft innehielt, um sich mit einem Glas Wein zu stärken, wandte sie sich wieder Emil Dohnke zu. »Mein Mann hat mir erzählt, dass er eng mit Ihnen zusammenarbeitet.«
    »Herr von Trettin ist zu gütig. Ich versuche ihn natürlich zu unterstützen, so gut ich kann. Doch er ist einer der Direktoren der Bank und ich bin nur ein kleiner Angestellter«, antwortete Dohnke.
    »Das sind Sie sicher nicht, sonst hätte Herr Grünfelder Sie nicht eingeladen.«
    »Wahrscheinlich tut er das nur, weil mein Vater eine kleine Bank in der Provinz besitzt«, mutmaßte Dohnke, der sich selbst über die Einladung wunderte. Allerdings hatte er unter Fridolins Ägide gute Arbeit geleistet, und dies war Grünfelder nicht verborgen geblieben. Außerdem wollte der Bankier Emils Vater als Partner gewinnen, um sein Bankgeschäft auf das flache Land ausdehnen zu können.
    Inzwischen hatte sich der streitbare Gutsbesitzer mit Wein gestärkt und hielt nun einen Monolog über die Banken und deren Direktoren, die in seinen Augen alle Schurken waren, die nur ein Ziel hatten, nämlich den Reichtum ihrer Kunden in die eigene Tasche wandern zu lassen.
    Lore enthielt sich jeden Kommentars, während Emil Dohnke ein paarmal zu widersprechen wagte, ohne den Mann auch nur im Geringsten beeindrucken zu können. Als dieser sich endlich wieder seiner eigenen Tischdame zuwandte, beugte Emil sich zu Lore hinüber. »Wenn es nach diesem Herrn geht, müssten wir Bankiers ihnen die Kredite umsonst geben und dürften auch nur die Hälfte der Kreditsumme wieder zurückfordern. Dabei müssen auch wir leben.«
    Obwohl er leise gesprochen hatte, hatte der andere ihn gehört und deutete mit einer verächtlichen Handbewegung in die Runde. »Sehen Sie sich diesen Kitsch doch einmal an. Dieser August Protzke weiß gar nicht mehr, was er mit dem Geld tun soll, das er unsereins aus der Tasche zieht. Ich wette mit Ihnen, er wird sich in ein, zwei Jahren den Titel eines Barons von Protzke kaufen und noch mehr angeben als jetzt. Diese Neureichen werden immer mehr zur Plage, denn sie denken, Wunder wer sie sind. Dabei hält nur unser alter Adel unser geliebtes Preußen zusammen. Was wollen wir mit dem Reich, das Bismarck zusammengeschustert hat? Diese Bayern, Sachsen und Schwaben können wegen mir bleiben, wo der Pfeffer wächst! Wir müssen Preußen bleiben, sage ich!«
    Da der Herr seiner Stimme keine Zügel anlegte, konnte auch Grünfelder hören, wie er als August Protzke geschmäht wurde, und er ballte in erbitterter Wut die Fäuste. Die Herren und Damen von altem Adel ließen sich von ihm auf seinen Festen durchfüttern und gingen ihn ständig um Kredite an. Dennoch nahmen sie ihn weder ernst, noch luden sie ihn zu ihren Feiern ein. Sein Blick suchte Fridolin, der eben höflich auf eine Frage seiner Tochter antwortete. Er musste diesen Mann unbedingt als Schwiegersohn gewinnen. Einem Freiherrn von Trettin würde niemand vorwerfen, ein neureicher Protzke zu sein.
    Grünfelder hatte nun aber auch konkret vor Augen, welches Hindernis seinen Plänen im Weg stand. Es saß zwischen seinem Angestellten Emil Dohnke und jenem ständig meckernden Gutsherrn und war nicht nur schön, sondern auch ausnehmend charmant. Obwohl sein Vaterherz für Wilhelmine schlug, begriff er, dass diese sich niemals mit Lore von Trettin würde messen können. Nun,

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