Aprilgewitter
zwei besorgen, damit du, wenn ich unterwegs bin, nicht auf die oft recht muffig riechenden Droschken angewiesen bist.«
»Mir macht das nichts aus. Schließlich bin ich keine Bankdirektorin«, erklärte Lore schelmisch. Noch lachend stiegen beide in den wartenden Wagen. Fridolin nannte dem Kutscher das Ziel, dann lehnten sie sich in die Sitzpolster zurück und hingen ihren Gedanken nach.
Als sie Grünfelders Villa erreichten, stand eine stattliche Reihe von Wagen vor dem Eingang, und sie mussten einige Zeit warten, bis auch sie aussteigen konnten. Lore nutzte die Gelegenheit, das festlich illuminierte Domizil des Bankiers von außen zu mustern. Das Haus war mindestens dreimal so groß wie das, welches Fridolin und sie bewohnten, und stand inmitten eines ausgedehnten Gartens, der von hohen Bäumen beschattet wurde. Das Gebäude wirkte auf Lore ein wenig wunderlich, denn durch die vielen angebauten Erker, Balkone und kleinen Türmchen gab es kaum eine gerade Wand. Der Besitzer hatte sich anscheinend von alten Burgen und den Landsitzen hochadeliger Geschlechter inspirieren lassen und das, was ihm gefiel, zu einem Bauwerk gemischt, welches Lore ebenso protzig wie kitschig erschien.
Nun war sie noch neugieriger darauf, Grünfelder und seine Familie kennenzulernen. Nach all dem, was sie von Fridolin gehört hatte, entsprachen diese Leute voll und ganz dem Bild neureicher Menschen, deren Manieren nicht mit ihrem wirtschaftlichen Aufstieg Schritt gehalten hatten.
Ihre Droschke rückte weiter nach vorne, und ein Diener in einer grüngoldenen Livree und mit einer Rosshaarperücke auf dem Kopf öffnete ihnen den Schlag. Um Lores Lippen zuckte ein Lächeln. Grünfelder und seine Damen schienen mit aller Macht feudal erscheinen zu wollen. Sie stieg aus, wartete, bis Fridolin die Droschke verlassen hatte, und folgte ihm zu dem mit Sommerblumen und grüngoldenen Bändern geschmückten Portal.
Die Vorhalle der Villa war ähnlich prächtig ausgestattet wie eine der katholischen Kirchen in Bayern, die Lore im letzten Jahr besucht hatte. Nur gab es hier keine Figuren von Heiligen, sondern von Helden und Kaisern der deutschen Geschichte, die alle gleichermaßen martialisch aussahen und die sie nur durch die Aufschriften auf den Sockeln auseinanderhalten konnte. Neben Karl dem Großen und Friedrich Barbarossa standen da einige Markgrafen der Mark Brandenburg wie der Askanier Otto von Ballenstedt, der Burggraf Friedrich von Nürnberg und der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm. Friedrich der Große stand als Büste in einer Nische, die wie ein Altar gestaltet war.
»Beeindruckend, nicht wahr, mein Lieber?«, sagte sie zu Fridolin.
Dieser nickte schaudernd. »Eher entsetzlich! Bei Gott, letztens waren diese Figuren noch nicht da. Die muss Grünfelder erst in dieser Woche bekommen haben.«
»Er dürfte sie nach der alten Kaufmannsweisheit bestellt haben, wonach der Einzelpreis bei einer Abnahme von einem Dutzend Stück billiger wird.« Lore sprach leise genug, damit niemand außer ihrem Mann sie hören konnte. Auf den Gesichtern der übrigen Gäste, die darauf warteten, in den großen Salon geführt zu werden, spiegelten sich widersprüchliche Gefühle. Einige, insbesondere ein bullig wirkender Mann in einem teuren, aber schlecht sitzenden Frack, strahlten Neid aus. Andere rümpften verächtlich die Nase.
»Man erkennt einen Herrn Neureich sofort, wenn man sein Heim betritt«, erklärte Frau von Stenik eben mit ungehemmter Lautstärke.
Du hast es gerade nötig, über andere zu lästern, dachte Lore, als sie die ständig unzufriedene Kundin aus Marys Salon erkannte. Die Sippe dieser Frau hatte mehr Skelette im Keller liegen als nur das Unrechtsurteil, das ihren Großvater das Gut gekostet hatte. Ihrer Abneigung zum Trotz nickte sie der Dame freundlich zu und nahm zu ihrer Zufriedenheit wahr, wie diese bei ihrem Anblick blass wurde.
Die Frau öffnete bereits den Mund, um etwas zu sagen, doch da bat ein Lakai sie, in den Salon zu treten. Dort kündigte er die Dame mit wahrer Stentorstimme an.
Da sie als Nächste an der Reihe waren, legte Lore die Hand auf Fridolins Arm und schwebte an seiner Seite in den blauen Salon, dessen Namen von den mit blauem Damast bespannten Wänden und den gleichfarbigen Polstern der Sessel herrührte.
Grünfelder, dessen Frau und Tochter standen mitten im Raum und begrüßten ihre Gäste. Wilhelmine knickste vor Frau von Stenik, die nicht nur eine bösartige Zunge hatte, sondern auch eine Reihe von
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