Aprilwetter
die sich immer öfter neidvoll lobend bei Janet über ihn ausließen.
Den Camper verkaufte er zu einem ziemlich guten Preis an einen Drummer, mit dem er hin und wieder in den Demostudios zusammen musiziert hatte. Sein Leben war in Ordnung. Er genoss es sogar. Und Janet mit ihren roten Haaren, dem breiten Lachen und den großen Händen, »the real woman«, war da und liebte ihn – er war am richtigen Ort.
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Ob es vom Fauchen der Maschine oder dem kleinen dumpfen Pochen der Pumpe herrührt – seit diesem Morgen hat Benno Musik im Kopf. Keine eigene, er erfindet keine Melodien oder Figuren, aber ihm gehen lauter Songs durch den Kopf, die er längst schon vergessen zu haben glaubte. Er sucht seine Erinnerung ab nach Stücken, die er für die Produktion mit der mausäugigen Meike vorschlagen könnte. Tramps And Hawkers zum Beispiel, ein keltisch klingender Folksong, den er in Nashville eine Zeit lang gespielt hat, der würde ihr stehen, oder Needle In The Hay von der Gruppe Plainsong, Motherland oder Owensboro von Natalie Merchant und The Swimming Song von Loudon Wainwright. Er ist kaum bei der Sache vor lauter Musik im Kopf und muss sich hin und wieder zusammenreißen, um die Ohren aufzusperren, wenn vor ihm ein Gesicht die Lippen bewegt.
Ihm fallen fast ausschließlich getragene, traurige oder elegische Lieder ein, weil er Meike nur Red Dirt Girl hat singen hören und davon ausgeht, dass sie keine Hillbilly-Artistik oder Linedance-Animation will, sondern Innerlichkeit und starkes Gefühl.
»Krieg ich einen Cappuccino?«, fragt Christine. Sie steht vor ihm. Er hat sie nicht hereinkommen sehen.
»Klar«, sagt er und »Hallo« und macht sich an der Maschine zu schaffen. Es ist Freitagnachmittag, nicht mehr viel los, draußen hochsommerliche Hitze und fast alle sind aus der Stadt geflohen an den Baggersee, ins Freibad oder ins Wochenende, irgendwohin.
»Hast du Lust, heut Abend mit mir schwimmen zu gehen?«, fragt sie, als er ihr die Tasse hinstellt. »Ich hab Sehnsucht nach dem See.«
»Ich kann aber erst so gegen sieben hier weg.«
»Ist doch gut«, sagt sie, »dann nehmen wir was zu essen mit. Und Wasser für dich und Wein für mich.«
»Essen hab ich hier«, sagt Benno und deutet auf die Tramezzini und Baguettes, »wenn dir das recht ist.«
»Klar ist das recht. Dann bring ich Wein und Sprudel.«
Sie hat den Cappuccino ausgetrunken, klopft wieder wie beim letzen Mal mit drei Fingern auf die Theke, lächelt ihn an und sagt: »Klingel bei mir, wenn du fertig bist, ja?«
Benno nickt und hört schon wieder Musik im Kopf. Diesmal ist es I’ve Had It von Aimee Mann.
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Er überlässt Valerio den Laden, Souad ist schon ins Wochenende verschwunden, und die drei alten Amerikaner, eine Dame und zwei Herren, sicher Professoren, werden wohl die letzten Gäste für heute sein. Seit einer halben Stunde juckt es Benno, Daniel anzurufen und die Produktion zuzusagen, außerdem hat er keine Badehose.
»Ich mach’s«, spricht er Daniel auf den Anrufbeantworter, »aber du musst mir die Jungs aus Amerika auftreiben. Ich will unbedingt mit der Band spielen, die du damals in Nashville gehört hast. Ruf mich an, wenn du Zeit hast, dann geb ich dir die Namen durch – vielleicht sind sie ja noch in Nashville und spielen in der Carson Lounge. Sonst weiß Joseph, der Geschäftsführer, sicher, wo man sie auftreiben kann. Ach ja, ich habe auch noch die Adresse vom Pedal-Steel-Spieler, jedenfalls von seiner Exfrau, wenn die nicht umgezogen ist, geht’s auch auf diesem Weg. Bis bald. Melde dich.«
Es gibt anscheinend nur hässliche Badehosen mit Streifen, Mustern oder Signets in grellen Farben. Benno geht, nachdem er den dritten Laden ohne Erfolg verlassen hat, über den Fluss zum einzigen großen Kaufhaus, aber auch dort muss er sich nach einigem Suchen und Wühlen damit zufriedengeben, die am wenigsten hässliche zu nehmen. Eine graue mit roten Vierecken, halb lang und locker. Als er sie bezahlt, denkt er, ist doch eigentlich egal, ich hätte auch die billigste nehmen können. Christine würde das verzeihen.
Die Stadt ist wie gelähmt von der Hitze, nur vereinzelte Passanten streben von Schatten zu Schatten, die Stühle vor den Cafés sind leer, und in den Läden langweilen sich die Angestellten, während sie so tun, als wären sie beschäftigt mit dem Zurechtlegen von Ware, und dabei gelegentliche Blicke nach draußen werfen, ob nicht doch jemand vorbei- oder hereinkommen will. Zehn, zwölf ältere Amerikaner bewegen
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