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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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verhaftet zu werden.«
    Er schweigt und wartet auf den Rest der Beschreibung. Nicht lange. Sie schaut zur Decke, knüllt das Tuch in ihrer Hand – es ist nicht mehr so feucht, dass Tropfen austreten würden, dann streckt sie ihre andere Hand wieder nach ihm aus, er will gerade danach greifen, da zieht sie sie zurück und streift sich damit eine Strähne aus der Stirn.
    »Du lebst wie jemand, der aus einer anderen Welt kommt. Oder aus einer anderen Zeit. Kein Computer, kein Auto, kein Handy, kein Anrufbeantworter, nicht mal Musik hast du bei dir. Außer der natürlich, die du selber machst. Daran ist es mir auch aufgefallen. Gestern Nacht, als du dieses schöne Stück gespielt hast, und ich hab’s ganz leise, nur durch den Boden gehört, da hab ich so was wie deine Seele gehört. Ich weiß kein besseres Wort dafür, falls du den Ausdruck kitschig findest, musst du das jetzt halt mal verzeihen. Es war wie in einer Zeitmaschine, ich war wieder dort bei euch beiden, im Studio, in Frankreich, im grünen Haus – eure Musik ging einem sofort ins Innere, ohne Umweg über den Kopf, man hat sich reich gefühlt und war bewegt und wusste gar nicht, ob nun fröhlich oder traurig oder ergriffen oder was weiß ich, man war sofort in einer eigenen Welt, wenn ihr nur ein paar Takte gespielt habt. So war’s gestern Abend auch, ich war wieder in dieser Welt. Ich nenne das deine Seele.«
    Er schweigt.
    »Ich glaube, du bist traurig und versuchst auf eine stoische und deine eigene Traurigkeit nicht ernst nehmende Art, damit umzugehen.«
    »Ich brauch kein Handy«, sagt er, »und ich brauch keinen Computer. Was soll das? Wieso ist was falsch an mir, wenn ich dieses Zeug nicht benutze?«
    Sie lässt sich nicht beirren von dieser unaufrichtigen Antwort, die sich am Symptom festbeißt, um von der Ursache abzulenken. Sie spricht weiter, konzentriert und nachdenklich, so als müsse sie die Gedanken erst suchen und sortieren: »Das mit der Seele hab ich gemerkt, als Daniel versuchte, ohne dich weiterzumachen. Er hat noch zwei Alben aufgenommen, war auf Tour mit sehr guten Musikern, hat sehr schöne Stücke gemacht, aber er hat genau gespürt, dass er ohne dich weniger als die Hälfte war, die Musik war schön und nichts weiter. Nur schön. Weil du nicht drin warst, war die Seele nicht drin, das, was einem so direkt in die Mitte reingegriffen hat. Dein Stück gestern Abend hat das. Daniels Stücke hatten das nicht. Er hat deswegen aufgehört. Er hat gemerkt, dass er nur mit dir zusammen was Besonderes war, ohne dich war’s nur noch hübsch, er sagte, wie ein Rahmen ohne Bild oder wie ein Bild ohne Figuren – das hat ihm nicht gereicht. Ich weiß nicht, ob es ihm immer noch fehlt, ob er sich danach sehnt, wieder der Musiker zu sein, der er mal war, ich glaub’s eigentlich nicht, er kommt mir lebendig und zufrieden vor, aber mir hat’s gestern Abend schier das Herz zerrissen, als ich dich spielen hörte und dachte, wenn Daniel jetzt hier wäre, dann würde er heulen und nicht mehr aufhören damit.«
    Sie schweigt einen Moment lang, aber Benno weiß, dass sie noch nicht am Ende ist, er wartet. Und sie spricht weiter.
    »Du bist ein Musiker. Du musst Musik machen. Du bist derjenige von euch beiden, der den Inhalt hatte. Daniel hatte nur was zur Form beizutragen.«
    »Wieso denkst du so nach über mich?«, fragt er hilflos und noch immer auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Verhörsituation, inzwischen sogar eher einer Urteilsverkündung, der er sich weder gewachsen fühlt, noch gewillt ist, dem Druck einfach nachzugeben.
    »Das tu ich, seit du weg bist«, sagt sie, »seit vierzehn Jahren.«
    —
    Ein paar Tage lang geisterten sie im grünen Haus herum wie Gäste, denen man ein falsches Quartier zugewiesen hat. Es ist immer schwer, nach einer Reise wieder zurückzufinden, aber diesmal war es noch schwerer, weil sie sich hier noch nicht eingelebt hatten, weil sie eigentlich noch gar nicht hier sein sollten – die Ferien waren abgebrochen worden – und weil Daniel und Benno nicht zusammen sein wollten. Daniel sagte nichts dergleichen, er benahm sich auch nicht so, dass Benno sicher sein konnte, aber wenn sie nicht probten oder irgendwas zu planen oder besprechen hatten, war er immer woanders, verkrochen in seinem Zimmer, im Garten, irgendwo, und las in einem dicken Fantasyroman, Stein und Flöte oder er tat zumindest so als ob.
    Christine war beschäftigt – sie packte ihre Sachen zu Hause und wollte keine Hilfe dabei, erst wenn sie

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