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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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telefonisch damit umgehen konnte, und dann zum Bahnhof, nach Frankfurt und dort ins nächste Flugzeug nach Amerika. Das war weit genug weg.
    Sie schliefen nicht mehr zu dritt wie in Frankreich, jeder ging in sein eigenes Zimmer. Benno umarmte Christine, zog sie an sich und küsste sie auf beide Wangen, die Umarmung war fester und besitzergreifender, als er je gewagt hatte, er spürte ihren Körper an seinem, sah ihren erstaunten, aber nicht widerwilligen Blick, sah dann, wie sie schnell zu Daniel hinsah, ob dem diese Umarmung zu weit gehen könnte, aber der war schon auf der Treppe nach unten, drei leere Flaschen im Arm, die er noch in den Keller bringen wollte.
    »Gute Nacht«, sagte Christine, als sie sich aus Bennos Umarmung löste. Es klang wie eine Frage.
    —
    Daniel schlief noch, und Christine war schon in der Klinik, als Benno den Zettel auf den Esstisch legte, den kleinen Metallkoffer nahm, in dem sie Mix und Master transportiert hatten, und die Tür hinter sich schloss. Er ließ den Wagen stehen, nahm den Bus zur Stadt und von der Bank – nachdem er alles erledigt hatte – ein Taxi zur Nachbarstadt, um sicherzugehen, dass Daniel ihn nicht am Bahnhof abfangen würde, falls er den Zettel zu früh entdeckte.
    In Frankfurt nahm er den nächsten Flug ohne Zwischenstopp nach Atlanta und wartete darauf, dass die Hand um seinen Magen ihren Druck verringern würde. Aber das geschah erst irgendwo über dem Meer, nach Stunden, als die Bildschirme aktiviert wurden und ein Film begann, in dem sich Whoopi Goldberg in einem Kloster versteckte und als Nonne verkleidet für allerlei Chaos sorgte.
    —
    »Wir waren dir unendlich böse, dass du einfach verschwunden bist«, sagt Christine leise, »so böse, wie man auch einem Selbstmörder ist, der sich aus der Verantwortung für sein Leben stiehlt.«
    »Ich hab die Verantwortung behalten«, sagt Benno ebenso leise.
    »Vielleicht ja«, sagt Christine, »aber uns hast du im Stich gelassen.«
    »Es wär nicht gegangen.«
    »Woher weißt du das?«
    Darauf gibt es keine Antwort, also schweigt Benno. Er hätte sich gern gewehrt gegen diesen vorwurfsvollen Ton, aber Christine ist krank und im Recht, er hat sie sitzen lassen. Wenn sie seine Not, das, was ihn damals getrieben hat, nicht sehen will, dann eben nicht. Er muss nicht betteln um ihr Verständnis. Er muss um überhaupt nichts mehr betteln. Auch wenn er Daniel dankbar ist für die Chance mit dem Café – das, was daraus geworden ist, ein gutes Geschäft nämlich, hat er selbst daraus gemacht. Mit den richtigen Leuten, dem richtigen Konzept, der richtigen Einstellung und dem richtigen Kaffee. Und vor allem mit Fleiß und Geduld.
    »Daniel war total fertig«, sagt Christine, »am Anfang hat er gedacht, du bringst dich um. Erst als der Bankmensch diskret signalisierte, dass auf deinem Konto Bewegung herrscht, hat er die fixe Idee aufgegeben. Und erst als deine Mutter ihm erzählte, dass du ihr eine Karte aus Amerika geschrieben hast, hörte er auf, sich Sorgen um dich zu machen.«
    »Was soll das eigentlich werden?«, fragt Benno, zwar noch immer leise und der Krankenzimmeratmosphäre angepasst, aber nicht mehr in der Lage, den aufkommenden Ärger, der schon in seiner Stimme mitschwingt, zu verbergen. »Eine Art Gerichtsverhandlung? Wirfst du mir meine Untaten vor?«
    »Klingt das so? Das will ich nicht«, sagt sie, »ich will nur, dass du weißt, dass wir dich geliebt haben.«
    »Ich euch doch auch. Deshalb bin ich ja weg.«
    Eine Zeit lang schweigt sie, dann streckt sie wieder ihre Hand nach ihm aus. Er sieht es, nimmt die Hand und wartet. Ihre Hand ist nicht fiebrig heiß, und sie bewegt sich nicht in seiner, aber er spürt sie, als strahle Elektrizität von ihr ab.
    »Und ich dachte, du kommst in mein Zimmer. Ich war noch ewig wach in der Nacht.«
    Benno spricht nicht aus, was ihm auf der Zunge liegt, die Frage nämlich: »Was hättest du getan?«, denn er will die Antwort nicht hören, will nicht wissen, ob sie ihn in die Arme genommen oder weggeschickt hätte, beides wäre auf dieselbe Ausweglosigkeit hinausgelaufen. Er versucht, das Thema zu wechseln: »Hat Daniel je wieder psychotische Schübe gekriegt?«
    »In der Zeit, die wir zusammen sind, nicht«, sagt sie, »ob davor, das weiß ich nicht. Wir haben nie darüber geredet. Er scheint das als Schande anzusehen, er will nicht dran erinnert werden.«
    »Was heißt, in der Zeit, in der ihr zusammen seid? Wart ihr das nicht immer?«
    Sie schweigt. Er überlegt, was an

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