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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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treibende Geschrammel von Mitchell, verwoben mit den Congas von Bobbie Hall beim ersten Stück machten das Fahren zum Flug und löschten alle Gedanken, die noch bis eben in seinem Kopf unterwegs gewesen waren. Es fühlte sich fast so an, als wenn sie selber spielten.
    »Wir könnten auch einen Bass brauchen«, sagte Daniel, »und Keyboards.«
    »Nein, nur wir zwei.« Benno wunderte sich über seinen eigenen Ton, so bestimmt und schnell redete er sonst nicht daher. »Das atmet nicht mehr gleich gut, wenn mehr Leute drin rumfrickeln.«
    »Aber hier atmet’s doch wie Hund«, Daniel deutete auf den Kassettenrekorder.
    »Das ist Jaco Pastorius.«
    »Dann holen wir eben den.« Daniel grinste.
    »Aus dem Himmel?«
    Das Gefühl, zu fliegen, verstärkte sich noch, als das nächste Stück begann. Amelia . Aber schon beim Ende des ersten Verses, bei der Zeile »it was just a false alarm«, war es, als griffe eine große, harte, unnachgiebige Hand um Bennos Magen und drücke langsam zu. Und auf einmal, als hätte jemand ein Buch in seinem Kopf aufgeschlagen, auf dessen Seiten nur der eine Satz stand: »Das alles ist vorbei.«, war Benno klar, dass dies ihr letztes Album sein würde, ihre letzte gemeinsame Fahrt, die letzte Mastering-Session und das letzte Nachhausekommen hinterher. Er musste weg.
    Als er diesen Gedanken begriffen hatte, war auch die Hand weg. Nichts mehr quetschte den Magen ein.
    —
    Beim Mastern saß er die meiste Zeit im Vorraum, las die herumliegenden Fachmagazine und überließ Daniel das Hinhören und Frequenzen anheben, absenken, komprimieren und die ganze Zauberei, mit der man inzwischen den Klang zum Strahlen bringen konnte. Immer wenn Stefan, der Masterer, und Daniel ein Stück so weit hatten, dass sie glaubten, es ginge nicht mehr besser, riefen sie nach Benno, der es sich mit frischen Ohren anhörte und hier und da noch einen Vorschlag dazu hatte. Es war umwerfend, was diese Technik vermochte. Ein fertiger Mix, der Tage gebraucht hatte, mit feinster Technik und größter Könnerschaft hergestellt worden war, klang im Vergleich zum Master wie Filz gegen Seide. Oder so, als hätte man das Licht hinter dem Sound ausgemacht.
    Benno ging das nichts mehr an, er war eigentlich nicht mehr da. Er tat nur noch so, ging abends essen mit Daniel, dann ins Kino, hörte sich Daniels Pläne für eine ausgefeiltere Bühnenbeleuchtung an, hörte ihn von Computern schwärmen – er hatte im Studio einem Musiker über die Schulter geschaut und war hingerissen von der Möglichkeit, Sequenzen und Beats einzuspielen. Benno widersprach nicht, wie noch auf der Fahrt hierher, als Daniel wieder davon anfing, einen Bassisten einbinden zu wollen, es war egal, Benno war aus diesem Projekt verschwunden, aus diesem Leben und, das wusste er seit dem Nachmittag, auch aus diesem Land.
    Später konnte er nicht einschlafen, denn die Hand um seinen Magen war wieder da.
    —
    Irgendwann in der Nacht stand er auf und ging nach draußen, über die leere Maximilianstraße bis zu ihrem Ende oder Anfang, dann wieder zurück, und er hätte gerne irgendwo etwas getrunken, das Bild von Christine eingeweicht oder gar ausgewischt, wie sie auf Daniel ritt, langsam, schläfrig und sich in den Schultern und Hüften wiegte, dabei ihn, Benno ansah, indifferent, weder einladend noch abweisend, so als wäre es egal, ob er ins Geschehen einsteigen wollte oder nicht, und er stand angewurzelt wie in einem Albtraum, konnte nicht weg, sich nicht bewegen, nicht einmal den Blick wenden von diesem, wegen Christines Anblick, anziehenden und, wegen Daniels Gegenwart, abstoßenden Bild. Nichts mehr hatte offen, keine Kneipe, keine Bar, die Stadt war ausgestorben. Als er wieder beim Hotel ankam, setzte er sich auf die Stufen und rauchte.
    Vor seinem inneren Auge sah er den Zettel, den er schreiben würde: Ich bin weg, für lange oder für immer, bitte verkauf meine Sachen und zahl das Geld auf mein Konto ein. Es tut mir leid. Es geht nicht anders. Benno.
    —
    Daniel merkte nicht, dass Benno nur noch eine Maske war, die Antworten gab, bei der Arbeit bis zum Nachmittag und bei der Fahrt nach Hause, beim improvisierten Abendessen mit Christine, die erst am nächsten Tag mit ihnen gerechnet hatte und nur Butterbrot, Radieschen und einen kleinen Rest Käse dahatte, beim Anhören des Masters auf CD hinterher, niemand, nicht Christine, nicht Daniel merkte was, nur Benno wusste, dass er am nächsten Tag zur Bank gehen würde, um sein Konto so einzurichten, dass er

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