Aqua
Bröding zuletzt gehört.« Sattler reichte ihm eine silberne Scheibe in der Folie.
»Was soll ich damit?«
»Hey, hey, was soll das, Kamera aus!« Der Kriminaltechniker richtete beide Handflächen in abwehrender Haltung in Richtung Mauer. Oben auf dem Sims war auf den ersten Blick nur eine große Kamera zu sehen, deren Objektiv an den Maschendrahtzaun gedrückt wurde. Die Kamera verschwand, um ein paar Sekunden später, einen Meter entfernt, wieder aufzutauchen. Von dort versprach sich der Kameramann wohl eine bessere Sicht auf das Opfer.
»Jetzt ist aber Schluss!« Sattler ging zur Mauer und hielt das Klemmbrett mit seinen Notizen vor die Kamera.
»Da steht Bröding«, ließ sich der Kameramann vernehmen, während er weiter das Objektiv auf die Notizen richtete. Er schien diese Infos an eine zweite Person hinter der Mauer weiterzugeben.
»Kacke!« Sattler drehte das Klemmbrett um, weil die Aufzeichnungen nass wurden.
Der Mann mit der Kamera verschwand.
Augenblicklich stürmte Gabi los und folgte Grabbe, der die Einfahrt runter zur Straße rannte. Während ihr Kollege auf dem Bürgersteig blieb, kürzte sie über die aufgeweichte Wiese vor der Synagoge ab und holte Grabbe an der Ecke der Schule ein.
Beide schauten schnaufend dem zitronengelben Smart hinterher, auf dem das Logo von Tele Mosel prangte.
Nachdem es erneut geklingelt hatte, kam nebenan vor dem Tor zum Schulhof Bewegung in eine Gruppe Jugendlicher. Einige entsorgten ihre Zigaretten im Aschenbecher an der Bushaltestelle und bewegten sich Richtung Schulhof. War der Knabe, der ihn im Vorbeigehen angrinste, nicht derjenige, den er vorhin auf der Mauer gesehen hatte? Grabbe war sich nicht ganz sicher. Wahrscheinlich hatte er das Foto vom Handy gleich an Tele Mosel weitergesendet. Wer weiß, wo der grausige Anblick demnächst noch im Netz zu sehen sein würde. Aber darum konnte Grabbe sich nicht kümmern, sie hatten einen Mord aufzuklären. Er war froh, die Schwächephase von vorhin überwunden zu haben.
Zurück in der Einfahrt zur Villa stampfte Gabi kräftig auf, um ihre Schuhe von den hartnäckig haftenden Lehmbrocken zu befreien. »Ich dachte, samstags haben die Schulen geschlossen?«
»Haben sie auch«, bemerkte Grabbe. »Nur heute wird irgendein Tag ausgeglichen. Ich glaube, der Fastnachtsdienstag, für den kein beweglicher Ferientag mehr zur Verfügung stand.«
»Wer von euch möchte mit hochkommen?«, fragte Walde, der an der Haustür unter einem von Säulen gestützten Vordach gewartet hatte. »Zu Frau …«, er beugte sich zu den beiden Schildern an der Klingel hinunter.
»Isabelle Neumann«, half Grabbe. »Sie hat den Toten … sie hat angerufen.«
»Was ist mit seiner Frau?«, fragte Gabi. »Wer fährt dahin?«
»Ist er denn verheiratet?« Waldes rechter Zeigefinger wanderte zur Klingel.
»Du kennst ihn nicht?« Gabi legte eine Hand auf seinen Unterarm.
»Ich hab schon von ihm gehört. Er ist Anwalt und sitzt im Stadtrat.«
»Dann lass’ uns zu seiner Familie fahren, bevor sie es aus den Medien erfährt.«
Nach dem Klingeln sah Grabbe den Kollegen hinterher. Es dauerte eine Weile, bis sich eine Frauenstimme an der Gegensprechanlage meldete.
Als die Haustür per Türsummer geöffnet wurde, besah sich Grabbe das Schloss und den Rahmen. Auf dem Weg zur Treppe kam er am opulenten Eingang zur Kanzlei vorbei. Hinter den Glasfenstern im oberen Bereich des Rahmens war es dunkel. Auch hier waren keine Spuren von gewaltsamem Eindringen zu erkennen.
Beim Treppensteigen ließ Grabbe die Fingerspitzen seiner linken Hand entlang der leicht erhabenen Blütenwelle auf der Wandbordüre gleiten. Oben erwartete ihn in der überdimensioniert wirkenden Wohnungstür eine junge Frau.
»Frau Neumann, Isabelle Neumann?« Sie nickte und reichte ihm die Hand. Grabbe wurde bewusst, wie kalt seine war, als er ihre Wärme spürte. »Sie haben uns angerufen?«
»Kommen Sie herein.«
»Danke.« Grabbe knöpfte seinen Parka auf und blieb unschlüssig auf der Fußmatte mit dem hellen Tuch stehen. »Ich ziehe besser meine Schuhe aus.«
»Das geht schon. Geben Sie mir Ihre Jacke.«
Während sie den Parka über einen Kleiderbügel hängte, kniete sich Grabbe und begann, mit seinen vor Kälte steifen Fingern die nassen Schnürsenkel zu lösen. Es dauerte eine Weile und beim zweiten Schuh blieb ein dicker Knoten zurück. Nur auf Strümpfen versuchte er, den kleinen Pfützen auszuweichen, die seine Schuhe bereits auf dem Parkett hinterlassen hatten.
»Kommen
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