Aqua
zuhause gewesen. Gleich nachdem die Polizei und die Presse weg waren, hatte sie ihn angerufen.
Draußen wurde ein Pferd mit einer Decke auf dem Rücken vorbeigeführt. Die nasse Mähne klebte dem Tier am Hals.
»Sie haben deinen Namen erwähnt.« Sie war kaum zu verstehen.
Fast hätte er gefragt, was sie denn wüssten. »Und was nun?«
»Sie werden vielleicht zu dir kommen und dir Fragen stellen.«
»Da bist du ja endlich.« Gabi kam zur Tür herein, umarmte Decker flüchtig, trat einen Schritt zurück, musterte ihn und sagte: »Du siehst gut erholt aus.«
»Du hättest mich erst eine Woche später sehen sollen!«
Sie schaute nachdenklich.
»Sollte ein Späßchen sein.« Er klatschte in die Hände. »Was liegt an?«
»Das kann dir Grabbe verraten«, sagte Gabi. »Ich möchte vorher noch mal mit Sebastian Engels sprechen.«
»Wenn wir zurück sind, sollten wir zusammenfassen, wo wir stehen.« Walde folgte Gabi zur Tür.
Als der Hubschrauber zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde über das Dorf hinweggerauscht war, hatte Tränkle den Elektroherd ausgeschaltet und die Pfanne herunter genommen, in die er gerade die Karotten zum Andünsten zu den Zwiebeln und dem Knoblauch gegeben hatte. Nun war das Essen nach dem zweiten Arbeitsgang endlich fertig. Er hatte sich mit dem Teller an den Esstisch gesetzt und sich mit großem Appetit die ersten Gabeln mit dem noch zu heißen Gemüse mit Reis in den Mund geschoben, als das Telefon klingelte.
Falls es seine Frau war, würde er sie gleich zurückrufen und ihr dann berichten, was sich gerade hier zugetragen hatte. Es war das Gericht.
Eine knappe Stunde später saß Richter Tränkle hinter seinem Schreibtisch in der Amtsstube des Justizgebäudes und las die Akte, die ihm Roth hatte zukommen lassen. Tränkle interessierte sich weniger für Lokalnachrichten, aber auf dem Weg hierher hatte er im Autoradio Tele Mosel gehört. Zum einen, um zu erfahren, dass, nachdem eine Frau aus einem Auto auf der überschwemmten Moselstraße hinter Kesten geborgen worden war, nun eine zweite Frau nur wenige Meter flussabwärts unter dramatischen Umständen gerettet worden war. Beide Personen würden sich in einem kritischen Gesundheitszustand befinden. Die Nachrichten zu den Ermittlungen im Mordfall Thomas Bröding nahmen weit weniger Raum ein.
Umso umfangreicher war das Material, das ihm der Staatsanwalt vorgelegt hatte. Tränkle konnte schnell lesen und hatte gelernt, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen. Als er eine halbe Stunde später Holtzer in Begleitung seines Anwalts Haupenberg und Staatsanwalt Roth empfing, hatte er sich einen Überblick über die Sachlage verschaffen können. Die drei Herren trugen Anzug und Krawatte. Holtzer nahm auf dem mittleren der drei Stühle vor Tränkles Schreibtisch zwischen seinem Rechtsbeistand und dem Staatsanwalt Platz.
»Möchten Sie eine weitere Aussage machen?«, wandte sich Tränkle an den Mann, über dessen Freiheit er in den nächsten Minuten zu entscheiden hatte.
Holtzer schaute ihm mit ruhigem Blick in die Augen und drehte den Kopf nach links zu seinem Anwalt.
»Herr Richter, mein Mandant hat im Moment dem, was er der Polizei gegenüber geäußert hat, nichts hinzuzufügen.«
Der Richter blickte zu Holtzer. »Möchten Sie sich nicht dazu äußern, wo Sie sich zum Tatzeitpunkt befunden haben?«
»Das ist sehr persönlich, dazu möchte ich mich nicht äußern.«
»Eine Untersuchungshaft kann auch etwas sehr Persönliches sein.«
Holtzer schwieg.
Tränkle blickte zu Staatsanwalt Roth.
»Die aus meiner Sicht sehr schlüssige Begründung für einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen Herrn Klaus Holtzer liegt Ihnen vor.«
Tränkle ließ ein paar Augenblicke vergehen, in denen er Roth, Haupenberg und dann Holtzer anschaute. »Dann erlasse ich hiermit einen Haftbefehl gegen Herrn Holtzer und setze diesen unter Auflagen außer Vollzug.« Der Richter hatte erlebt, wie Kollegen bei ihren Verkündungen Kunstpausen einlegten, bevor sie eine Strafe zur Bewährung aussetzten oder einen Haftbefehl, wie in diesem Fall, gegen Auflagen außer Vollzug setzten. Die Motivation zu solch einem Handeln ging ihm komplett ab. Tränkle registrierte mit Wohlwollen, dass Holtzer und Haupenberg ebenfalls kein Aufhebens mit Händeschütteln oder Schulterklopfen machten.
In dem ans Haus angebauten Wintergarten waren die meisten Stühle zu den großen Fensterscheiben gerichtet. Von hier aus konnten die Besucher, von der Verglasung vor Wind und
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