Aqua
Die Taxifahrerin ignorierte sein Winken ebenso wie die Funksprüche, die sich recht hektisch anhörten. »Wie habe ich das zu verstehen?« Sie blickte zu ihm herüber.
»Es ist für mich noch zu früh, um darüber zu reden.«
»Aha!« Nachdem sie sich mit gerunzelter Stirn wieder der Straße zuwandte, musste er lachen. Es tat weh, noch mehr als husten, aber er konnte nicht anders. Er lachte, bis ihm die Tränen kamen. Sollten die gebrochenen Rippen inzwischen etwas zusammengewachsen sein, so waren sie nun bestimmt wieder lädiert.
»Deinen Humor haben sie dir also nicht rausoperiert?«
»Ich habe noch … es ist noch alles drin.« Er tippte sich vorsichtig an die Brust.
»Und da oben?« Ihr rechter Zeigefinger tippte an ihre Schläfe. Dann knuffte sie ihn an den Oberarm, worauf er aufstöhnte. »Aber so ganz fit scheinst du nicht zu sein.«
»Sonst müsstest du mich wohl nicht ins Krankenhaus bringen.«
Die Fahrt ging durch einige schmale Seitenstraßen und endete vor einer Straßensperre.
»Näher komme ich heute leider nicht heran, mein Schatz.« Sie wies mit der Hand die Straße entlang. »Noch zweihundert Meter geradeaus, dann bist du da. Gute Besserung.«
Mit seinem Zehn-Euro-Schein rundete er den Fahrpreis leicht auf. »Falls ich dich wieder sehen will …«
»Frag nach der schwarzen Rosi.« Sie gab ihm eine Visitenkarte mit der Nummer der Taxizentrale. Kaum hatte er die Tür geschlossen, legte sie den Rückwärtsgang ein, wendete und sauste davon. Er fragte sich, warum sie so hieß, obwohl sie blonde Haare hatte. Oder hing es mit der Farbe des Taxis zusammen?
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite verstand Walde, was sein Freund Jo mit Pfütze gemeint hatte. Der tiefer gelegene Grünstreifen der Allee vor der dreispurigen Straße hatte sich in einen Teich verwandelt, auf dem Eis-, Kaugummi- und zerknüllte Zigarettenpackungen neben Blättern, Baumrinde und allerhand undefinierbarem Treibgut dümpelten. Zwischen den Stämmen der Bäume ragte das oberste Brett der Rückenlehne einer Bank nur wenige Zentimeter aus dem Wasser. Noch ein halber Meter und das Wasser hatte das Niveau der Straße erreicht.
Gegenüber hob ein Hubschrauber mit Getöse von der Rettungsplattform des Krankenhauses ab. Walde bemerkte nicht gleich, dass sein Telefon klingelte.
»Warum haben Sie sich nicht bei mir gemeldet?« Stiermann schien es nicht für nötig zu halten, seinen Namen zu nennen.
»Man sagte mir in Ihrem Vorzimmer …«
»Wenn Sie nicht einmal mich finden, wie wollen Sie dann Ihrer Aufgabe gerecht werden?«
Walde stand vor Überraschung der Mund offen. Als er Luft holte, hörte er den Polizeipräsidenten sagen: »Wenn das so weiter geht, kann ich Sie nicht länger halten.«
»Was heißt das konkret? Meinen Sie die Hetze von Tele Mosel?«
»Sie wissen schon«, sagte Stiermann in unwirschem Ton.
»Hallo … Herr Stiermann?«
Die Leitung war stumm. Hatte sein Chef aufgelegt oder war die Leitung unterbrochen worden? Walde betätigte die Rückruftaste. Es folgte das Freizeichen, dann schien der Anruf weggedrückt zu werden.
»Arsch …«
Vor ihm spritzte Wasser auf. Als er zu den konzentrischen Kreisen schaute, platschte der nächste Stein ins Wasser.
»Arsch sagt man nicht!« Annika kletterte auf das Mäuerchen, das den Park von der Straße abgrenzte. Jo reichte ihr weitere Steine, die sie linkisch in den braunen Tümpel schleuderte. Jeder begleitet von einem langgezogenen »Arsch«.
»Papa, die haben ein tolles Puppenhaus und Mathilda hat schon einen Tisch kaputt gemacht.«
»Wer?« Walde ging zu ihr hin und versuchte abzuschätzen, wie hoch das Wasser unterhalb der Mauer schon stand.
»Die Schäfers …«, als er nicht gleich zu verstehen schien, fügte sie an: »Unsere Schäfers von oben, die Silke und der Uwe. Da schlafen wir heute Nacht.«
»Ach so, das ist ja prima.« Walde legte einen Arm um die Taille seiner Tochter, die auf der unebenen Mauer aus dem Gleichgewicht zu geraten schien.
Zu den Schäfers, dem Rentnerehepaar aus der oberen Etage des Hauses, hatte es in den letzten Jahren außer höflichem Grüßen im Treppenhaus kaum Kontakt gegeben. Als Walde gleich am ersten Tag nach dem Einzug sonntags eine Reihe Nägel einschlug, hatte Herr Schäfer irgendwann ziemlich ungehalten vor der Tür gestanden und, ohne sich groß vorzustellen oder sie Willkommen zu heißen, auf der Einhaltung der Sonntagsruhe bestanden. Seither war das Verhältnis abgekühlt geblieben.
»Es scheint doch was an der
Weitere Kostenlose Bücher